Amtsgericht Dachau:Handlanger für Liebesbetrüger muss ins Gefängnis

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Weil er gerne ein Haus bauen will, wird ein Rentner zum Helfer von Onlinebetrügern. (Foto: Maurice Tricatelle/IMAGO/Zoonar)

Das Amtsgericht verurteilt einen 31-Jährigen, weil er in die Geschäfte rund um sogenanntes Love-Scamming verwickelt gewesen sein soll. Sechs Frauen haben rund 20 000 Euro auf sein Konto überwiesen.

Von Anna Schwarz, Dachau

Sie täuschen einsamen Singles im Internet die große Liebe vor und sind doch nur auf ihr Geld aus: Sogenanntes Love-Scamming floriert im Netz, auf Deutsch bedeutet der Begriff Betrug mit vorgetäuschter Liebe. Die Betrüger bauen unter falscher Identität eine virtuelle Beziehung zu ihren Opfern auf. Dann konstruieren sie Notlagen und fordern Geld. Laut Justizministerium haben Betrüger mit Love-Scamming landesweit rund neun Millionen Euro erbeutet. Einzelne Opfer hätten sogar sechsstellige Summen verloren.

Am Donnerstagvormittag muss sich ein 31-Jähriger vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten. Er soll in Geschäfte rund um das Love-Scamming verwickelt gewesen sein. Er bestreitet die Vorwürfe. Doch am Ende der Verhandlung wird er zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Im Sitzungssaal trägt der Angeklagte einen Karo-Anzug und eine Daunenjacke, einst hat er im Landkreis gelebt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass er Gelder aus Love-Scamming-Betrügen auf seinem Konto erhalten habe, das Geld abgehoben und dem sogenannten Liebesbetrüger später in bar übergeben haben soll. Der Angeklagte habe sich deshalb der Geldwäsche strafbar gemacht. Der Schaden ist beträchtlich: 19 760 Euro hätten sechs Frauen Ende 2021 innerhalb von sechs Wochen auf das Konto des Angeklagten überwiesen. Elf Überweisungen waren es, die Bank wurde wegen der Bargeld-Abhebungen skeptisch, vermutete Love-Scamming dahinter und meldete den Fall der Polizei.

Ein Betrugsopfer habe rund 48 000 Euro an verschiedene Männer überwiesen

Vor Gericht sagt ein Ermittler der Dachauer Polizei aus, dass vier der sechs Frauen bereits eine Anzeige bei der Polizei gemacht hätten, weil sie Opfer von Love-Scamming geworden seien. Eine habe angegeben, dass sie mit dem überwiesenen Geld eine Schiffsreise bezahlen wollte. Ein Betrugsopfer aus Bayern habe sogar rund 48 000 Euro an verschiedene Männer überwiesen.

Der Angeklagte bestreitet die Vorwürfe: Er habe nicht gewusst, dass das überwiesene Geld aus Straftaten stamme. Stattdessen habe er seinem Freund, den er seit rund sechs Monaten kannte, nur einen Gefallen tun wollen. Dieser habe dem Angeklagten erzählt, dass er weder einen Ausweis noch ein Bankkonto habe, doch Deutschland bald verlassen müsse. Dafür würde ihm seine Freundin Geld schicken, das der Angeklagte auf seinem Konto annehmen, abheben und dann seinem Freund in München in bar übergeben sollte.

Zunächst bestreitet der 31-jährige Angeklagte, dass er für diese Dienste eine Belohnung von seinem Freund bekommen sollte. Doch dann hält Richter Stefan Lorenz ihm seine Aussage bei der Polizei vor: Dort habe er im Dezember 2022 gesagt, dass ihm sein Freund schon etwas Geld für die Kontodienste versprochen habe. Der Angeklagte gibt dann doch zu, dass es eine Absprache gab: "Aber ich habe nie Geld bekommen", beteuert er.

Die Strafe auf Bewährung auszusetzen, kommt für den Richter nicht infrage

Dem Richter sagt der Angeklagte, dass ihn sein Freund immer angerufen habe, wenn ein neuer Geldbetrag auf dem Konto eingegangen sei, die jeweilige Summe habe er dann abgehoben und in bar in München übergeben. Sein Freund habe Deutschland mittlerweile verlassen, so der Angeklagte.

Richter Lorenz zweifelt an den Aussagen des 31-Jährigen und sagt zu ihm: "Es ist schwer zu glauben, dass Sie für jemanden, den Sie seit sechs Monaten kennen, Summen von rund 20 000 Euro annehmen." Außerdem bleibe für Lorenz rätselhaft, warum das Geld in mehreren Kleinsummen und von verschiedenen Frauen überwiesen wurde.

Auch der Staatsanwalt äußert seine Zweifel. Er sehe es als Schutzbehauptung des Angeklagten, dass dieser nicht gewusst habe, dass das Geld aus Love-Scamming-Betrügereien stamme. Außerdem halte er es für unglaubwürdig, dass der Angeklagte große Geldsummen "für einen entfernten Bekannten" abhebt und sich nie nach den Absendern des Geldes erkundigt. Zulasten des 31-Jährigen spreche, dass er mehrfach vorbestraft sei: Unter anderem wurde er wegen Schwarzfahrens und schwerer Körperverletzung verurteilt und habe die jetzige Tat während einer Bewährungszeit begangen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, dass der Angeklagte die Verfahrenskosten übernimmt und den sechs Frauen ihr Geld zurückzahlt.

Dem Angeklagten kommen die Tränen, er greift sich mit der Hand an die Stirn und versteckt sein Gesicht. Sein Verteidiger erklärt, dass vor Gericht nicht nachgewiesen werden konnte, dass sein Mandant von den Love-Scamming-Betrügen wusste. Daher fordert er Freispruch. Wenn das Gericht zu einer anderen Überzeugung komme, plädiere er für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung, da der Angeklagte derzeit auf einem guten Weg sei, einen Job in einer Fischfabrik habe und eine Wohnung für sich, seine Frau und seine vier Kinder gefunden habe.

Richter Lorenz war wie die Staatsanwaltschaft überzeugt, dass der Angeklagte wusste, dass das Geld aus Betrugsmaschen stamme, er habe es durch sein Konto "durchgeschleust", so Lorenz. Er verhängt eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Strafe auf Bewährung auszusetzen, komme nicht infrage, denn der Angeklagte sei ein "Bewährungsversager" und in seiner Bewährungszeit schon dreimal straffällig geworden. Lorenz sieht von der Forderung ab, dass der 31-Jährige den Opfern das Geld zurückzahlt. Denn einerseits habe er nie etwas davon abbekommen und andererseits werde er das Geld nie zusammenbekommen - bei einem Monatslohn von rund 1500 Euro und mit vier Kindern.

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