Amtsgericht Dachau:Ferngesteuerte Rechner

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Dachauer muss 2000 Euro Geldstrafe zahlen, weil er sich illegale Software zum Ausspähen fremder Computer besorgte.

Von Benjamin Emonts, Dachau

In einer weltweit koordinierten Razzia haben Ermittler im Mai 2014 Hunderte Wohnungen von Personen durchsucht, die im Internet die Software Blackshades erworben hatten. Blackshades, übersetzt schwarze Sonnenbrillen, ermöglicht dem Anwender, aus der Ferne Kontrolle über fremde Computer zu erlangen. Durch den Trojaner lassen sich Screenshots anfertigen, Passwörter auslesen und unbemerkt Bilder über die Webcams der ahnungslosen Opfer schießen.

Im Zuge der Ermittlungen wurde auch die Wohnung eines 33-jährigen Dachauers durchsucht, der sich nun wegen Ausspähens von Daten vor dem Amtsgericht Dachau verantworten musste. Die Fahnder konfiszierten bei dem Mann mehrere Computer, Festplatten und ein Smartphone. Die Staatsanwaltschaft München II legte ihm schließlich zur Last, die illegale Software im Internet erworben und fünf fremde Computer damit ausgespäht zu haben. Laut Strafbefehl sollte der Dachauer für jeden der angeblich ferngesteuerten Computer eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 50 Euro bezahlen. Macht insgesamt 10 000 Euro.

Ob ein Schaden enstanden ist, ist unklar

Amtsrichter Tobias Bauer verurteilte den Dachauer jedoch nur zu einer Geldstrafe von 2000 Euro. Nach der Beweisaufnahme stand für den Vorsitzenden lediglich fest, dass der Angeklagte das Ausspähen von Daten vorbereitet hatte. Die Computer, auf die der Angeklagte zugegriffen haben soll, liefen allesamt unter ausländischen IP-Adressen und standen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Angeklagten. Zudem konnte durch die Ermittlungen nicht abschließend geklärt werden, ob den Besitzern der ausgespähten Computer überhaupt ein Schaden entstanden war.

Der Dachauer beteuerte jedenfalls, die betroffenen Computer niemals angegriffen zu haben. Er konnte sich den Vorgang nur so erklären, dass der Support-Dienst von Blackshades, den er beauftragt hatte, weil er mit der Software nicht zurecht kam, auf die fremden Computer zugegriffen hatte. Mit seinem Programm, als Testlauf sozusagen. Auch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hielt diese Version zumindest nicht für ausgeschlossen. Sie kam zu dem Schluss: "Der Zugriff auf andere Computer ist nicht nachweisbar."

Selbstgebastelte Trojaner

Die Einlassung des Angeklagten, er wollte mit der Software aus der Ferne auf seinen eigenen Computer zugreifen können, hielten Amtsrichter Bauer und die Staatsanwältin allerdings für unglaubwürdig. Ein IT-Forensiker der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck versicherte vor Gericht, dass es für diesen Zweck kostenlose und obendrein weitaus effektivere Softwares gebe, die allgemein bekannt seien. Zudem habe der Ermittler auf den konfiszierten Rechnern des Angeklagten zahlreiche Hinweise gefunden, dass dieser sich "für die illegale Fernsteuerung fremder Computer durch Trojaner interessierte". Dazu passte auch, dass sich auf einem seiner Laptops selbstgebastelte Trojaner befanden. Schließlich befand der IT-Forensiker in aller Klarheit, dass nur ein Mensch mit einem Intelligenzquotienten unter 70 die Software für legal halten könnte. "Die Software hat auch laut Beschreibung keinen einzigen legalen Einsatzzweck", sagte der Experte.

Dennoch entstand infolge der Hausdurchsuchungen im Jahr 2014 eine kontroverse Debatte im Netz, ob der bloße Kauf der Software schon strafbar sein sollte. Tatsächlich kann die Software auch eingesetzt werden, um auf den eigenen Computer zuzugreifen. Im Fachjargon spricht man von "dual use", einem zweifachen Nutzen, aus legaler oder eben illegaler Absicht. Einen Hinweis, wozu der Dachauer das Programm womöglich verwendet hat, gab er nach dem Urteilsspruch selbst. Richter Bauer hatte ihm gerade noch mit auf den Weg gegeben, künftig besser die Finger von zwielichtigen Computerprogrammen zu lassen. Der 33-Jährige antwortete prompt: "Jetzt habe ich keine Freundin mehr, jetzt brauche ich es nicht mehr." Die Frau soll angeblich seinen Laptop benutzt haben.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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