Amtsgericht Dachau:Falsche Medizin

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Starb die Patientin an einem Behandlungsfehler? Vor dem Amtsgericht Dachau bestreitet der angeklagte Arzt das. Doch für einen Gutachter ist der Fall klar.

Gregor Schiegl

Für den forensischen Gutachter war der Fall klar. Behandlungsfehler des Hausarztes hätten den Tod einer damals 64-jährigen Patientin herbeigeführt, die 2005 im Schwabinger Krankenhaus starb. Daran gebe es "keinen vernünftigen Zweifel". Den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft, sechs Monate auf Haft Bewährung wegen fahrlässiger Tötung, will der Arzt aber nicht akzeptieren. Deswegen musste der Fall am Montag am Amtsgericht Dachau aufgerollt werden. Er endete ohne Urteilsspruch: Einige Unterlagen, auf die der Gutachter sich stützte, liegen noch in der Asservatenkammer und fehlen daher in den Akten; der Verteidiger ließ die Sitzung vertagen. Die Tochter der verstorbenen Patientin reagierte verärgert. Sie forderte das Gericht nach der Verhandlung auf, das Verfahren zügig durchziehen. "Das ist auch eine große Belastung für die Angehörigen."

Laut Gutachter soll der Dachauer Hausarzt seine Patientin monatelang falsch behandelt haben - die 61-Jährige starb 2005. Das Amtsgericht Dachau hat sein Urteil noch nicht gesprochen. (Foto: ddp)

Nach Schätzungen des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) kommen allein in deutschen Krankenhäusern jährlich rund 175000 Patienten durch Behandlungsfehler zu Schaden, etwa 17000 verlieren dabei ihr Leben. Verlässliche Zahlen gibt es aber nicht. Warum das so ist, lässt sich nach dieser Verhandlung zumindest erahnen. "Die Sachlage ist nicht ganz einfach", räumte der Gutachter nach einem mit medizinischen Fachbegriffen gespickten halbstündigen Vortrag ein. Die Verstorbene war schwer krank, litt offenbar an Herzinsuffizienz, bekam zuletzt noch eine Lungenentzündung und starb, wie es der Gutachter ausdrückte, "letztlich an der kardiopulmonalen Misere". Herz, Lunge und Kreislauf machten nicht mehr mit.

Das Multiorganversagen ist das letzte Glied einer Kausalkette, das der Gutachter vor allem auf Behandlungsfehler und mangelnde Kontrollen zurückführt. Monatelang hatte der Arzt seiner Patientin ein Mittel gegen Rheuma verabreicht. Doch der Arzt hat die Entwicklung des Blutbilds dabei nicht kontrolliert. Die ersten Monate verliefen unauffällig, dann zeigten sich immer stärkere Nebenwirkungen: "Sie hatte Geschwüre am Mund und hat sich kaum mehr gerührt." Als dann noch ein Blutungsanämie dazu kam, wurde die Frau ins Dachauer Krankenhaus gebracht. Der Arzt setzte das Medikament aber nicht ab, sondern verabreichte es noch drei Wochen weiter. Zu allem Überfluss hatte er der Patientin auch noch ein Präparat verschrieben, das die Wirkung des unverträglichen Medikaments weiter verstärkte. Im September 2005 starb sie in einer Schwabinger Spezialklinik. Gleichwohl: Auch bei richtiger Behandlung "könne man nicht sagen, dass die Frau überlebt hätte", meint der Gutachter. Ein Urteil wird nicht vor Oktober erwartet.

© SZ vom 31.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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