Kloster Altomünster:Unbequeme Heilige

Lesezeit: 3 min

Ein Anlass für die neue Ausstellung im Klostermuseum Altomünster ist der 650. Todestag der Ordensgründerin Birgitta von Schweden. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Museumsforum Altomünster stößt mit der Ausstellung über das Leben und Wirken der Ordensgründerin Birgitta von Schweden auf großes Interesse und wirft die Frage auf: Was könnte die Mitpatronin Europas im 21. Jahrhundert noch zu sagen haben?

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Gut möglich, dass demnächst der Vorname Birgitta wieder öfter in Standesamtsregistern auftaucht. Warum? Weil Leben und Wirken der Ordensgründerin und Mitpatronin Europas Birgitta von Schweden immer noch auf riesiges Interesse stoßen, wie die Eröffnung der Ausstellung "Lebensreise einer Heiligen" im Museumsforum Altomünster gezeigt hat.

Dabei hätte es diese "Lebensreise" zumindest in der nun präsentierten Form gar nicht geben sollen. Der Museums- und Heimatverein Altomünster hatte eigentlich fürs aktuelle Jubiläumsjahr der Marktgemeinde - 650. Todestag der Ordensgründerin Birgitta von Schweden und 250. Weihetag der Klosterkirche St. Alto und St. Birgitta - eine große Schau mit den inzwischen in den Depots des Diözesanmuseums Freising lagernden Klosterpreziosen geplant. Daraus wurde nichts.

Sogar Berührungsreliquien sind zu sehen

Doch die Alternative kann sich sehen lassen: Eine Kabinettausstellung im ersten Stock des Klosternmuseums mit den wichtigsten Lebensstationen der Birgitta von Schweden, illustriert mit Kupferstichen von S. Pheysens aus dem 17. Jahrhundert, auf "Quadratmetergröße hochgezogen", wie Museumsvereinsvorsitzender Wilhelm Liebhart bei der gut besuchten Vernissage sagte. Dazu gibt es noch zwei sogenannte Berührungsreliquien, den (angeblichen) Wanderstab und die Trinkschale sowie eine Mini-Buchpräsentation.

Zu sehen sind auch Kupferstiche aus dem 17. Jahrhundert, die wichtige Lebensstationen der Birgitta von Schweden darstellen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Ausstellung selbst wird allerdings vom eigens erstellten Katalog übertroffen. Er erweist sich als wahres Füllhorn biografischer und spiritueller Details aus Leben und Werk dieser immer noch faszinierenden Frau. Die Lektüre ist zugleich eine gute Einführung in die zahlreichen Veranstaltungen rund um Leben und Werk der Heiligen. Dazu zählen beispielsweise das Aktions- und Mitmachwochende "KlostERleben" am Samstag/Sonntag, 10./11. Juni, die Premiere des Schauspiels "Birgitta von Schweden - Prophetin am Scheideweg" mit der Theatergruppe Altomünster am Samstag, 17. Juni, sowie etliche weitere Aktionen. Da stellt sich umso mehr die Frage, was Birgitta im 21. Jahrhundert noch zu sagen haben könnte.

Viele Besucher kamen zur Vernissage in das Museumsforum Altomünster. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Für Altomünster, dessen Klostergeschichte 2017 nach 1250 Jahren fast sang- und klanglos endete, steht womöglich immer noch die Ordensgründerin und Mystikerin im Vordergrund. Schließlich prägte der von ihr gegründete "Orden des Allerheiligsten Erlösers", der Birgittenorden, seit 1497 die Geschicke der Marktgemeinde. Das seit Jahren vor sich hin dämmernde Klosterareal ist zudem so etwas wie ein steinernes Mahnmal vergangener Glorie, aktuellen Stillstands und leiser Hoffnung auf die Zukunft. Selbst wer sich weniger von ihren Visionen oder Offenbarungen (revelaciones, wie sie ihre spirituellen Erfahrungen nannte) beeindrucken lässt, bedarf keiner großen Fantasie, um sich eine Macherin wie Birgitta an der Spitze bürgerschaftlichen Engagements vorzustellen, das weit über den Erhalt respektive die sinnvolle Nutzung der Klostergebäude hinausgeht.

Museumsleiter Wilhelm Liebhart erzählte bei der Vernissage aus der Lebensgeschichte der Heiligen. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Die Ausstellung im Klostermuseum informiert über Leben und Wirken der Heiligen, das Klosterleben generell, über Kunst und Pilgerwege. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Insgesamt gibt es 40 Kupferstiche, die das Leben, Wirken und die Visionen der Heiligen Birgitta darstellen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die 1303 geborene Birgitta entstammt dem schwedischen Hochadel. Mit 13 Jahren wird sie mit Ulpho (Ulf) Gudmarsson verheiratet und wird Mutter von acht Kindern. So weit, so "normal" im angeblich finsteren Mittelalter. Von 1335 an lebt sie am schwedischen Königshof als Hofmeisterin von Königin Blanka - und wird dort so etwas wie eine moralische Instanz, eine Aufgabe, die sie lebenslang mit Bravour übernehmen wird. Birgitta mahnt: "Der König muss so beschaffen sein, dass er von den Jüngeren gefürchtet, von den Älteren geehrt, von den Weibern gelobt, von den Gerechten geliebt und von den Unterdrückten herzlich begehrt wird." Niemals dürfe ein König aber vergessen, dass er Gott und seiner Kirche Treue und Gehorsam schulde.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

König Magnus nennt sie einen "gekrönten Esel"

König Magnus bleibt unberührt von dieser Philippika. Was Birgitta wiederum zu drastischeren Mitteln greifen lässt. Für sie ist der junge Herrscher ein "Kind auf dem Königsthron", ein "Hasenherz" und "ein gekrönter Esel". Zugleich aber ist diese taffe Frau von tiefer Frömmigkeit geleitet, die sich nicht zuletzt in ihren mystischen Offenbarungen Bahn bricht. 1341/1342 macht sie zusammen mit ihrem Mann Ulpho eine gefährliche Wallfahrt ins spanische Santiago de Compostela, mitten durchs französische Kriegsgebiet. 1344 stirbt ihr Mann. Birgitta zieht sich für zwei Jahre in ein Kloster zurück und beginnt anschließend ihre eigentliche Lebensreise - immer begleitet von einem oder mehreren ihrer Kinder sowie Beichtvätern und sogenannten Seelenführern.

Schließlich lebt Birgitta in einer Zeit, in der die Geistlichkeit einer Frau zutiefst misstraute, zumal einer hochgebildeten, die auch gegenüber Päpsten und Kaisern kein Blatt vor den Mund nimmt. Da ist aus Sicht der Kurie ein wenig Redaktion und Interpretation ihrer mystischen Erfahrungen angebracht. Nach Überwindung vieler Widerstände kann Birgitta schließlich den Orden mit der von ihr vorgesehenen Struktur des Doppelklosters gründen. Immer wieder wird sie auch politisch aktiv, fordert die Rückkehr der Päpste aus Avignon nach Rom und begibt sich auf beschwerliche Pilgerreisen bis ins Heilige Land.

Am 23. Juli 1373 stirbt sie in ihrem Haus (Casa di Santa Brigida) an der heutigen Piazza Farnese in Rom. Der Birgittenorden breitete sich schnell aus. Im 15. Jahrhundert entstanden 27 Klöster, eines davon in Gdansk (Danzig), weshalb die Gewerkschaft Solidarność Birgitta neben der Gottesmutter Maria zu ihrer Schutzpatronin ernannte - und der polnische Papst Johannes Paul II. sie zur Mitpatronin Europas erhob.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivAntisemitismus
:"Hier gilt es, Wissen gegen Judenhass zu vermitteln"

Insgesamt 36 sogenannte Judasfeuer hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in diesem Jahr in acht oberbayerischen und schwäbischen Landkreisen registriert, die meisten davon in Gemeinden des Landkreises Dachau.

Von Helmut Zeller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: