Club in Schwabing:Die Großmutter aller Discos

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Crash-Barkeeper Tommy, wie so viele hier ein ehemaliger Stammgast, gönnt sich eine kleine Rauchpause, bevor der Mitternachtssturm losbricht. (Foto: Robert Haas)

Seit 50 Jahren steht das Crash an der Ainmillerstraße für ein ganz spezielles Münchner Lebensgefühl. Viele, die hier arbeiten, waren früher Stammgäste.

Von Robert Haas (Fotos) und Karl Forster (Text)

Für die einen ist das Crash "die Großmutter aller Discos", andere wiederum lästern, hier träfen Pubertätspickel auf Altersfalten, vor allem um Mitternacht, wenn Schichtwechsel ist beim Publikum. Wichtig ist jedenfalls die Erkenntnis, dass es sich bei diesem Tanz- und Trinktreff um ein Phänomen handelt, das fünfzig Jahre Münchner Geschichte widerspiegelt - und ebenso lang auch ein spezielles Münchner Lebensgefühl.

Ein Alleinstellungsmerkmal: Bis Mitternacht dürfen Jugendliche ab 16 hier tanzen und trinken; ein zweites: Das Personal besteht nahezu ausschließlich aus Gründern und ehemaligen Stammgästen, was für familiäre Stimmung sorgt; ein drittes: Es gelang dem Crash 1993 ein Umzug von der Lindwurmstraße 88 in die Ainmillerstraße 10 ohne Verlust der einzigartigen Atmosphäre.

Club in Schwabing
:Wie ein Abend im Crash abläuft

Tanzen, als ob es kein Morgen gäbe: Damit diese Illusion entsteht, passiert viel hinter den Kulissen. Impressionen von der Ankunft der Türsteher bis zum Hochstellen der Stühle.

Es war immer schon ein wilder Laden, ein Gegenentwurf zu den hippen Discos Schwabings, dem Blow Up, dem Tiffany oder dem Big Apple. Im alten Crash mit dem legendären DJ Theo Crash trug man die Haare wilder, schminkte sich greller und amüsierte sich deftiger, zum Beispiel bei jenem legendären Wettbewerb, bei dem weibliche Gäste barbusig und ohne Benutzung der Hände in einer bestimmten Zeit möglichst viel Sauerkraut verzehren mussten. Die Siegerin schaffte zwei Pfund. So etwas wäre heute nicht mehr möglich, schon weil Sauerkraut derzeit nicht einmal bei Veganerinnen hipp ist.

Dagegen finden die Luftgitarristen hier ein wahres Dorado, vor allem nach Mitternacht, wenn für die dann eher ergrauten Gäste die Lieder ihrer Jugend erklingen. Dabei kennt der Mann an den Tellern keine Gnade. Nenas Luftballons fliegen hier wieder durch die Nacht, Sammy Hagars "I Can't Drive 55" düst ab, und auch jener Künstler, der schon bei der Eröffnung des alten Crash, also noch zu seinen Lebzeiten, von der Fotowandtapete grüßte, singt hier "Light My Fire" oder "Riders On The Storm" - Jim Morrison, aktuelle Adresse: Père Lachaise Cemetery, 16 Rue du Repos, 75020 Paris.

Das Crash ist also mehr als nur ein Ort zum Tanzen und des Kampfes gegen die dabei entstehende Dehydrierung. Es ist eine Art Gefühlsmuseum, ein Memorial an eine Zeit, in der man sich die Begleitung für die Restnacht noch ertanzen konnte, anstatt zu wummernden Bässen einsam mit dem Kopf zu wackeln. Eine Zeit, in der die Suche nach der Zukunft nicht nur die DJs verrückt machte, weil sie sich zwischen Punk und Glamrock entscheiden mussten, sondern eine ganze Generation prägte, die sich nach 1968 häutete von der deutschen Vergangenheit.

Heute schämen sich ja die Kinder manchmal für ihre Eltern, weil die immer noch lange Haare tragen und bunte Hippieklamotten und am Freitagabend vielleicht ins Crash gehen, um sich wie früher anzutanzen. Die Mannschaft dort um Geschäftsführer Günter Haslinger kennt die Bedürfnisse ihrer Gäste, von Corinna mit ihrer Gruppe aus der Lebenshilfe, die immer am zweiten Freitag im Monat kommt, bis zu jener Truppe feierwütiger Jungerwachsener, die hier den runden Geburtstag ihres Abiturs begehen.

Apropos Geburtstag. Irgendwas will sich Günter "Hasso" Haslinger zum Fünfzigsten im Dezember einfallen lassen. Nur nicht mehr den Gag zum Vierzigsten: Da hatte er alle Getränke für 40 Cent angeboten. Die Disco in der Ainmillerstraße musste gesperrt werden, weil der Andrang so groß war.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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