Kultur in München:Der Circus gehört zur Stadt

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Jana Mandana Lacey-Krone während ihrer Elefantennummer bei der Winterpremiere des Circus Krone. (Foto: Florian Peljak)

Vor 100 Jahren eröffnete der Circus Krone seinen Bau an der Marsstraße. Beinahe hätte er sich in Frankfurt niedergelassen - aber München war schneller. Ein Rückblick.

Von Barbara Hordych

Als der Circus Krone am Samstag, 10. Mai 1919, abends um 18 Uhr feierlich eröffnet, ist der riesige Holzrundbau, den Carl und Ida Krone auf dem Marsfeld haben errichten lassen, beinahe ausverkauft. Die Vorstellung endet um 21 Uhr, danach müssen sich die Besucher beeilen, um spätestens um 22 Uhr, vor Beginn des Ausgehverbots, wieder zu Hause zu sein. Immer noch gibt es, auch nach dem Ende der Räterepublik, politische Auseinandersetzungen in der Stadt. Trotzdem stößt die Anzeige, mit der Carl Krone am 6. Mai in den gerade wieder erscheinenden Tageszeitungen für seine Vorstellungen wirbt, auf große Resonanz.

Ein Hausorchester mit 42 Musikern begleitet vor etwa 4000 Zuschauern die Darbietungen von Akrobaten und "Luftturnkünstlern", das Publikum bestaunt eine Eisbärengruppe und einen "Löwenbändiger". Der Direktor selbst, in schwarzem Frack und mit Schnurrbart, führt sieben Elefanten in die Manege, bis heute die Wappentiere des Circus' Krone. Der Abend ist ein "voller Erfolg", wie zwei Tage später die Münchner Neueste Nachrichten berichten. In den Wochen darauf stehen die Münchner in Schlangen bis zur Pappenheimstraße an, um Eintrittskarten für den Krone-Circus zu ergattern.

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Mitunter werden auch Kartoffeln oder Kohlköpfe an den Kassen gegen Karten eingetauscht. Denn Geld ist knapp und verliert von Tag zu Tag an Wert im ersten Nachkriegsjahr. "Die Familie Krone nimmt die Naturalien gerne an, denn auch das Tierfutter ist knapp und teuer", schreibt Klaus-Dieter Kürschner in seinem "Krone"-Buch. "Für die Dokumentation hat er viele Gespräche mit Christel Sembach-Krone geführt. Sie ist ja 1936 geboren, viele Episoden hat sie selber als Kind erlebt, oder es sind Ereignisse, die ihr von den Eltern geschildert wurden", sagt Frank Keller, der seinerzeit das Projekt redaktionell betreute und bis heute für die Familie Krone arbeitet. Schon damals galt es, eine beachtliche Zahl von Tieren durchzufüttern: Mit sieben Elefanten, 20 Berberlöwen, zwölf Königstigern, Pferden, zwei Nilpferden, Antilopen und Zebras ist der Krone-Zoo 1919 eine Attraktion - schließlich wird der Münchner Tierpark Hellabrunn erst 1928 gegründet.

Um ein Haar wäre übrigens nicht München, sondern Frankfurt am Main die feste Heimstatt für Europas größten Tournee-Circus geworden. Gegründet 1905 von Carl Krone junior gemeinsam mit seiner Frau Ida, reist der Circus bereits 1909 mit einem Zelt, das 6000 Menschen Platz bietet. Doch während sich die Frankfurter Stadtverwaltung noch über Carl Krones Vorschlag berät, dort ansässig zu werden, kommt schon der Zuschlag der Stadtväter aus dem Münchner Rathaus. Die Holzbau GmbH errichtet die Arena auf dem Marsfeld, mit einer imposanten Fassade und einem großen Foyer.

Freilich sind nicht alle begeistert von dem Neuzugang in der Stadt. Die kleineren Varieté- und Singspiel-Bühnen erheben Einwände gegen eine Dauerkonzession für den Riesencircus, rechnen die Ausfälle vor, die ihnen der Konkurrent verursachen werde. Doch Stadtverwaltung und Polizeidirektion sind sich einig: Der Circus gehört zur Stadt. In einem offiziellen Schreiben erteilt die Polizeidirektion München dem Zirkusunternehmer Carl Krone am 17. Dezember 1919 die Dauerkonzession für den Betrieb. Nun ist es also amtlich: Die Familie Krone hat sich ihren Stammsitz geschaffen und ihr Zuhause in München gefunden.

Im Jahr 1920 ist Krone wieder auf deutschen Circusplätzen unterwegs, nachdem er fast sieben Monate lang ununterbrochen in München vor stets vollem Haus gespielt hat. Doch Ida und Carl Krone handeln nach ihrem Credo, "das Publikum nicht überfüttern zu dürfen" - und führen von nun an "zwei Leben": Im Sommer gehen sie auf Tournee, im Winter kehren sie in den Holzbau zurück, der inzwischen mit einer steinernen Umfassungsmauer ergänzt und einer Dampfheizung ausgerüstet wurde. An dieser Aufteilung hält das Unternehmen bis heute fest: Mitte November kehrte der Circus unter seiner neuen Direktorin Jana Mandana Lacey-Krone nach 181 Gastspieltagen in 25 deutschen Städten nach München zurück. Dort eröffnet er traditionsgemäß am 25. Dezember seine Winterspielzeit, dieses Jahr mit dem Jubiläums-Programm "100 Jahre Circus Krone in München"

Das Gebäude ist natürlich längst nicht mehr der alte Holzrundbau aus dem Jahr 1919. Dieses wurde bei einem Luftangriff auf München im Dezember 1944 vollständig zerstört. Nach dem Tod von Unternehmensgründer Carl Krone 1943 waren es seine Frau Ida, beider einzige Tochter Frieda und ihr Ehemann Carl Sembach, die sich nach dem Kriegsende an den Wiederaufbau machten. Das Baumaterial ist zwar knapp, aber die langjährigen guten Beziehungen der Familie zu ihren Handwerkern zahlen sich aus: Bereits am 25. Dezember 1945 kann der Circus in einem provisorischen Bauwerk wiedereröffnen. 17 Jahre lang soll es dann dauern, bis dieses immer wieder umgebaute und verbesserte Provisorium abgerissen und durch den "modernsten Circusbau Europas" ersetzt wird, wie Olaf Bartels 1999 in seinem Büchlein "Der Circusbau Krone" schreibt.

Weil der Circus Busch schon 1937 in Berlin seinen festen Bau verlor und die Bauten des Circus Sarrasani in Dresden durch Bombenangriffe 1945 zerstört wurden, ist das Münchner Zirkushaus mit 3000 Plätzen der einzige feste Circusbau Deutschlands. Weihnachten 1962, nach nur sieben Monaten Bauzeit, wird er feierlich eröffnet. "Mal abgesehen von Renovierungen und technischen Nachrüstungen für die Licht- und Tonanlagen ist es bis heute der Bau aus Stein, den die Münchner kennen", sagt Frank Keller.

Die Arena bietet seitdem nicht nur Attraktionen für Fans zirzensischer Künste, sondern lockt auch Zuschauer von Boxkämpfen und Rockkonzerten an - eine zusätzliche Einnahmequelle für Krone, während die weiß-blauen Circuswagen auf Gastspieltournee durch Europa ziehen. Zum Auftakt sang hier 1963 Chubby Checker "Let's twist again", es folgten Konzerte internationaler Pop- und Rocklegenden, die Musikgeschichte schrieben: Die Rolling Stones traten hier 1965 auf, im Jahr darauf folgten die Beatles, später kamen Pink Floyd, Led Zeppelin, Frank Zappa, Tina Turner und AC/DC. Als die Rolling Stones 2003 wieder nach München kamen, spielten sie neben ihren Auftritten in der Olympiahalle und dem Olympiastadion als Reminiszenz an damals auch noch einmal im Circus Krone.

Boxfans erinnern sich freilich an einen ganz anderen Auftritt: Als Weltmeister Muhammad Ali 1976 zu einem Kampf in die Olympiahalle kam, schlug er im Krone-Bau sein Trainingscamp auf. So kam es, dass die Münchner nicht mitten in der Nacht aufstehen mussten, um Ali boxen zu sehen. Für nur zehn Mark Eintritt konnten sie dem Champion beim öffentlichen Training im Circus Krone zuschauen.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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