Wenn Politiker, die nicht Helmut Schmidt heißen, Bücher schreiben, handelt es sich meist um mit Anekdoten angereicherte Rückblicke aufs eigene politische Leben. Wer davon sensationelle Erkenntnisse über die Abgründe der Politik erwartet, wird meist enttäuscht, schließlich will keiner mit so einem Werk das eigene Bild vor der Geschichte verdunkeln. Dass ein Politiker sich mit einer Streitschrift in die aktuelle Debatte einmengt, ist hierzulande eher selten.
Christian Wulff, der ehemalige Bundespräsident, ist insofern eine Ausnahme. Denn in seinem Buch "Ganz oben Ganz unten" schildert Wulff mit einem Abstand von mehr als zwei Jahren nicht nur seine persönliche Sicht der Dinge, die zu seinem Rücktritt geführt haben. Das Buch ist vor allem eine Abrechnung mit all jenen, die Wulff dafür verantwortlich macht, dass er gehen musste, allen voran den Medien.
Verleger Beck gibt den Grundton vor
Klar, dass eine Abrechnung allemal mehr Interesse weckt, als, sagen wir, eine Abhandlung über die Zukunft Europas, und so ist der Saal im Literaturhaus am Dienstagabend rappelvoll, als Wulff aus seinem Buch vorliest und darüber dann mit Hans Werner Kilz, dem langjährigen Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, diskutiert. Die Wahl von Kilz als Moderator sollte sich für den Abend als äußerst segensreich erweisen, der sonst vermutlich ein wenig einseitig und selbstgerecht verlaufen wäre.
Den Grundton gibt Verleger Wolfgang Beck vor, dessen Verlag das Buch herausgegeben hat. Beck spricht von einer "Diffamierungskampagne sondergleichen" gegen Wulff, beklagt die "mediale Vorverurteilung" des ehemaligen Bundespräsidenten. Wulff, so lässt sich die Einführung zusammenfassen, ist ein unschuldiges Opfer und es ist gut, dass er nun endlich selber zu Wort kommt.
Wahrscheinlich muss ein Verleger so in die Harfe greifen, schließlich soll sich sein Buch gut verkaufen. Das Publikum im Literaturhaus goutiert diese Worte mit zustimmendem Applaus, und das lässt schon ahnen, dass der Abend ein politisches Lehrstück darüber wird, wie schnell sich eine Perspektive verschieben kann und wie leicht dabei all die Dinge aus dem Blick geraten, die vor zwei Jahren ursächlich für Wulffs Rücktritt waren.
Wulff greift diese Grundmelodie auf und liest das Vorwort seines Buches vor. Er wolle einen Beitrag leisten zur Diskussion über die Macht der Medien, sagt er. In seinem Fall habe eine "Treibjagd" stattgefunden, Wulff schreibt von einem "von seiner eigenen Macht berauschten Sensationsjournalismus". Es ist eine fulminante Abrechnung, und in ihr betont Wulff vor allem das Ende der ganzen Geschichte, die juristische Seite. Und da hat er gute Karten, sehr gute sogar.