"Böse Buben/Fiese Männer" in den Kammerspielen:Prachtlackelparade

Lesezeit: 2 min

"I woar als Facki scho a Sau": Ulrich Seidls "Böse Buben/Fiese Männer" ist in den Kammerspielen uraufgeführt worden.

Eva-Elisabeth Fischer

"I woar als Facki scho a Sau" - dieses schöne Zitat ungeklärter Herkunft trifft den Nagel auf den Kopf - zumindest bei den "Bösen Buben/Fiesen Männern", die derzeit in den Kammerspielen in jeder Hinsicht die Hosen herunterlassen. Der österreichische Dokumentarfilmer Ulrich Seidl hat, immer auf der Suche nach den Patzern auf der menschlichen Seele, sieben Prachtlackel in einen Hobbykeller gesteckt, wo sie ihre Freizeit nicht allein mit Bodybuilding, dem Absingen deutschen Liedguts sowie paramilitärischen Unterwerfungsspielchen verbringen.

"Böse Buben" an den Münchner Kammerspielen (Foto: Peter Rigaud/Kammerspiele)

Sie krauchen hinab in die Niederungen ihrer Sexualphantasien. Und die hören sich an, als habe Seidl mit seinem Theaterprojekt die Fortsetzung zu Toni Spiras grandiosem Partnersuche-Magazin "Liebesg'schichten und Heiratssachen" im ORF inszeniert und all das aussprechen lassen, was man bei Spiras Kandidaten sonst nur ahnt.

René Rupnik, der klapprige Ficker auf Suche nach gut gerundeten Fickerinnen, schaut gern Pornoheftln, wohingegen Michael Thomas sich noch jede Beziehung versaut hat, weil er mit dem Samen jedesmal folgenden Satz ausstößt: "Sieg den Kräften der sozialistischen Partei Österreichs!" Diese Männer sind nicht pervers, sondern wahrscheinlich Durchschnitt, behaftet mit den Erschlaffungen, die das Älterwerden so mit sich bringt. Der wohl Fieseste unter den Fiesen, Lars Rudolph, ist mit seinem Schrumpfarm der einzig sichtbar Behinderte.

Seidl hat bis auf fünf sämtliche Texte selbst geschrieben. Man darf über die Ergüsse seines menschlichen Bestiariums herzlich, und das freut einen ganz ungemein, ganz sicher schadenfroh lachen. Denn das Wiedererkennen ist groß - auch in so manchem Büro. Zwischen den Bekenntnissen der Herren marthalert es aus zweiter Hand, und manchmal gibt es enorme Durchhänger. Aber man amüsiert sich dennoch zweieinhalb Stunden lang, unterirdisch zwar, weil immer an der Kloake entlang, aus welcher der Quell des Faschismus entspringt.

Was Seidl auf die Bühne bringt, unterscheidet sich kaum von seinen Dokumentarfilmen. Die von ihm erstrebte theatrale Sublimierung passiert nicht - wären da nicht die fünf Texte von David Foster Wallace. Sie sind die einzigen mit doppeltem Boden: Ist er einmal aufgerissen, fällt man ins Bodenlos-Nachtschwarze. Vom letzten, stärksten Text, dem "Holocaust Whiskey", ist Seidl wahrscheinlich ausgegangen, hat alles andere sozusagen rückwärts dazu inszeniert: Wolfgang Pregler, einer der beiden Schauspieler unter lauter Laiendarstellern, ist hier ein verdruckster Brillenträger.

Er referiert die Analyse seiner brutalen Vergewaltigung mit einer Whiskeyflasche als distanziert-verkopfte Verdrängung seines seelischen Todes. Jedes Wort in messerscharfer Diktion, erklärt er mit Victor Frankls ". . . trotzdem ja zum Leben sagen" das grausame Wunder des Überlebens. Und damit als Opfer den Kern sämtlicher vorangegangener Täter-Monologe: der Missbrauch eines Menschen als bloßes Objekt.

© SZ vom 30.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: