Bestattung von Amts wegen:Wenn die Freunde sich vom Toten nicht am Sarg verabschieden dürfen

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Im neuen Krematorium am Ostfriedhof können Trauernde von einem abgetrennten Raum aus die Sargeinfahrt zur Verbrennung begleiten. (Foto: Florian Peljak)

Bekannte eines Verstorbenen dürfen der "begleiteten Sargeinfahrt" nicht beiwohnen - weil sie es ablehnen, die Gesamtkosten von bis zu 3000 Euro zu übernehmen.

Von Sven Loerzer

Seit der Fertigstellung des neuen städtischen Krematoriums am Ostfriedhof im Jahr 2022 besteht grundsätzlich die Möglichkeit, der sogenannten Sargeinfahrt von einem durch eine Glasscheibe abgetrennten Nebenraum aus beizuwohnen. Dass diese Form der Abschiednahme aber bei Bestattungen von Amts wegen nicht eingeräumt wird, musste jetzt SZ-Leserin Barbara S. erfahren, die sich zusammen mit dem Freundeskreis von einem überraschend verstorbenen alleinstehenden 63-jährigen Mann verabschieden wollte.

Obwohl sie zusammen mit dem Freundeskreis die zusätzlichen Kosten für die "begleitete Sargeinfahrt" übernehmen wollte, blieb den Trauernden der Wunsch versagt. Eine Beisetzung nach ihren Vorstellungen sei nur möglich, wenn Barbara S. die gesamten Kosten der Bestattung übernehme, erklärte das für die städtischen Friedhöfe München (SFM) zuständige Gesundheitsreferat.

Der Mann war offenbar den Folgen einer Grippe erlegen und tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. Der 63-Jährige habe keine Kinder, auch sonst seien keine Angehörigen bekannt gewesen, berichtet die SZ-Leserin. Wie in solchen Fällen üblich, wenn es keine Angehörigen mehr gibt, die das sogenannte Totenfürsorgerecht ausüben, leiteten die SFM als Ordnungsbehörde eine Bestattung von Amts wegen ein. Die Ordnungsbehörde trete "anstelle der Angehörigen in das Totenfürsorgerecht ein", erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsreferats. "Dieses Totenfürsorgerecht ist unteilbar."

Damit übernehme die Landeshauptstadt München die erforderlichen Kosten und Gebühren, wie sie sich aus dem Sozialgesetzbuch XII und dem abschließend vom Verwaltungsgericht München bestätigten Leistungskatalog ergeben. Und da gehört die begleitete Sargeinfahrt - die ja in München erst seit dem Ersatzneubau des Krematoriums möglich ist - nicht dazu.

Bei der städtischen Bestattung aber bekam Barbara S. zunächst die Auskunft, diese Abschiednahme sei möglich, wenn dafür die Kosten in Höhe von etwa 200 Euro übernommen würden. Als Barbara S. dann Termin und Kostenübernahme fix machen wollte, hieß es aber, das sei nicht möglich, die Ordnungsbehörde lasse das nicht zu.

"Allein dem Inhaber des Totenfürsorgerechts obliegt es, Leistungen für eine Bestattung zu beauftragen", erklärte das Gesundheitsreferat, diese dürften den gerichtlich bestätigten Leistungskatalog nicht übersteigen. "Es ist jedoch möglich, dass eine Person das Totenfürsorgerecht übernimmt und gegen Kostenübernahme eine Beisetzung nach ihren Vorstellungen organisiert", erklärte eine Sprecherin, "dies war im geschilderten Fall jedoch nicht gewünscht".

Das klinge wie eine "kleine Erpressung", meint Barbara S., entweder die ganzen Kosten für die Amtsbestattung in Höhe von etwa 2500 bis 3000 Euro zu übernehmen oder auf einen würdigen Abschied verzichten zu müssen. Es sei davon auszugehen, dass sich die Stadt den Betrag ohnehin aus dem Nachlass erstatten lassen könne, und für die Zusatzkosten wären je die alten Freunde aufgekommen. Zwar können sie nun an der kleinen, kargen Urnen-Trauerfeier teilnehmen, die zu dem Leistungskatalog einer Bestattung von Amts wegen gehört, "aber wir hätten unserem Freund gerne die Ehre der Verabschiedung am Sarg erwiesen".

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