Damian Groten arbeitet als Sprecher für Before, eine Beratungsstelle für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt und Diskriminierung in München. Before ist mit zwei Veranstaltungen bei den "Wochen gegen Rassismus" vertreten.
SZ: Wo erfahren Menschen am häufigsten Rassismus und Ausgrenzung?
Damian Groten: Eigentlich in allen Lebensbereichen - in der engeren Umgebung, am Arbeitsplatz oder in Schulen genauso wie im öffentlichen Raum. Es hat eine verheerende Wirkung, wenn ich etwa im Bus angegriffen werde, dann traue ich mich womöglich nicht mehr damit zu fahren.
Wer ist in München betroffen?
Alle Menschen, wenn sie in "Schubladen" einsortiert werden. Viele Fälle, in denen wir Betroffene begleiten, haben einen rassistischen Hintergrund. Ein besonderer Schwerpunkt ist hierbei der antimuslimische Rassismus. Wir hören aber auch zunehmend von antisemitischen Taten.
Wie sollte das Umfeld reagieren?
Den Betroffenen zuhören und Raum geben, das Erlebte zu teilen, auf Beratungsmöglichkeiten wie Before hinweisen. Auf keinen Fall ihnen die Legitimität der Gefühle absprechen, die auch schon ein herablassender Blick bei ihnen auslösen kann.
Haben sich die Opfer- und die Tätergruppen verändert?
Wir können nach drei Jahren Beratungsarbeit noch keine langfristigen Trends ablesen. Generell bemerken wir zurzeit aber einen Anstieg von Rassismus und anderen Formen von Abwertung wie Diskriminierung von Behinderten. Es sind Sachen sagbar geworden, die es lange nicht waren.
Welche Möglichkeiten gibt es für den einzelnen, sich dagegen zu wehren?
In der Situation selbst ist es wichtig, Zeugen anzusprechen und ihre Kontaktdaten aufzuschreiben; Ärzte oder Therapeuten aufzusuchen, damit sie körperliche oder psychische Folgen behandeln und dokumentieren. Hilfreich ist auch, ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben.
Nehmen heute mehr Menschen Rassismus in der Öffentlichkeit wahr?
Das Problembewusstsein ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Alltagsrassismus wird häufig von Menschen, die nicht davon betroffen sind, nicht wahrgenommen.
Was schärft das Bewusstsein?
Wenn man Betroffenen zuhört, wird ein Perspektivwechsel eher möglich. Man sollte sich solidarisch verhalten und deutlich Position beziehen. Es macht für Opfer einen ganz großen Unterschied, wenn sie bei Übergriffen Hilfe erfahren.
Was bringen Veranstaltungsreihen wie die "Wochen gegen Rassismus"?
Sie bieten Räume für einen Austausch über das Thema, das ja eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist.
Was sollte zusätzlich passieren?
Es braucht eine eindeutige Benennung der Vorstellungen von Ungleichwertigkeit der Menschen, und die müssen mit Nachdruck bekämpft werden. Es muss klar werden, dass rassistische Taten in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben.