"Bayern spielt":Wimmelbild mit Laufsteg

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Einer für alle, alle für einen - aber dann wird einer ausgegrenzt. Nicola Mastroberardino (rechts) spielte 2019 in "Drei Musketiere", einer Inszenierung am Theater Basel, die später im Cuvilliéstheater zu sehen war. (Foto: Sandra Then)

Theater, Musik und ein kleines Experiment: Der Kultursommer des Freistaats startet mit einem einwöchigen Programm auf dem Königsplatz und mischt Neues mit Altbekanntem

Von Oliver Hochkeppel

Man kann schon durcheinanderkommen mit all den "Kultursommern", die nun nach dem gefühlt end- und kulturlosen Winter aus dem Boden schießen. Gerade hat die Stadt München ihren verkündet. Wie im vergangenen Sommer wird ein großes Open-Air-Programm von und in den städtischen Einrichtungen Ersatz für all das bieten, was indoor mit den Coronaregeln noch nicht richtig funktioniert. Für das Programm, das vom Olympiastadion über das Stadtmuseum bis zur Pasinger Ebenböck-Villa quer über die Stadt verteilt ist, wurden sogar ordentlich Fremdgelder eingesammelt. Und dann ist da noch der "Kultursommer" des Freistaates, den Ministerpräsident Markus Söder mitten im tiefsten Lockdown als Lichtblick versprach und den sein Kunstminister Bernd Sibler vor einer Woche als "Plattform für das Comeback von Kunst und Kultur im Freistaat" öffentlich vorstellte. Zur besseren Unterscheidung heißt er inzwischen "Bayern spielt."

Schaut man freilich auf die Homepage, hat sich Söders großes Versprechen doch eher nur in einen digitalen Veranstaltungskalender verwandelt, in den die bayerischen Kulturschaffenden ihr ohnehin geplantes Programm eintragen. Für mehr, also für zusätzliche, eigene Veranstaltungen, hätte es einer Kuratierung bedurft. Immerhin gibt es diese bei der Eröffnungswoche vom 29. Juni bis 5. Juli auf dem Münchner Königsplatz, daher ragt dieses Ereignis auch heraus. Lustspielhaus-, Vereinsheim- und Lach-und-Schieß-Betreiber Till Hofmann hat sich eingeschaltet. Er hält nicht nur seit Beginn der Krise die Kleinkunst bayernweit mit seinem "Eulenspiegel Flying Circus" am Laufen, sondern hat sich auch als Wiederentdecker des öffentlichen Raums und als Brückenbauer zur Hochkultur und allen möglichen Kulturinstitutionen Meriten erworben. Für die Königsplatzsause hat Hofmann als Mitveranstalter glanzvolle Namen miteingesammelt.

Den Auftakt am Dienstag (29.6., 19.30 Uhr) bestreiten die Kammerspiele, standesgemäß mit einer Premiere. "What is the City but the People?" heißt die Stadtraumperformance, die ursprünglich zum Intendanz-Einstand von Barbara Mundel geplant war. Theater-Großereignis, Open-Air-Konzert und lebendiges Selbstporträt Münchens und das alles auf einem 60 Meter langen Laufsteg. 150 Münchnerinnen und Münchner, von der Operndiva bis zum Tierpräparator, von der Managerin bis zum Arbeitssuchenden, vom Braumeister bis zur Dragqueen, vom Eisbachsurfer bis zur Großfamilie präsentieren sich und repräsentieren ihre Stadt, musikalisch begleitet von einer eigens gegründeten Band mit Mitgliedern unterschiedlichster Provenienz: Tufan Aydoğan etwa ist Mitbegründer von Grup Doğuş der ersten türkisch-deutschen Band im München der Siebzigerjahre, Simon Popp Jazzschlagzeuger, Mori Dioubaté am Balaphon steht für afrikanische Klänge, Theresa Loibl an der Tuba für alpenländische. Manuela Rzytki hält als musikalische Leiterin und Sängerin das Experiment zusammen. Was alles zusammen "ein Wimmelbild dieser Stadt ergibt, einen Querschnitt durch ihre Vielfalt, ganz nah am Menschen", wie es Gina Penzkofer formuliert, die das von Richard Gregory inszenierte Projekt nach dem beim Manchester International Festival erstmals aufgeführten Vorbild produziert hat.

Zur Musik schlägt das Pendel dann am Mittwoch, Freitag und Samstag aus. Erst heben Dreiviertelblut, die Band rund um Gerd Baumann und Sebastian Horn, ihren erfolgreichen Musik-Mix aus "tief-bayerischer Finsternis und entrückter Poesie", wie sie es nennen, durch die Vereinigung mit den Münchner Symphonikern ins Großformat. Am Wochenende ist dann die junge Hip-Hop-Szene die Zielgruppe. Erst lassen in Kooperation mit dem städtischen "Sommer in der Stadt" und target concerts die Rapper Fatoni & Edgar Wasser raus, was sich während der letzten Monate angestaut hat. Dann präsentiert die Muffathalle die Acts Ahzumjot, Dexter, Lugatti & 9ine und Crux Pistols.

An den restlichen Tagen geht es ganz in Richtung Schauspiel. Das Residenztheater kommt am Donnerstag (1.7.) mit seiner aus Basel übernommenen Fassung der "Drei Musketiere". Dumas fulminantes Mantel-und-Degen-Drama wird von der Kulisse des Königsplatzes gewiss ebenso profitieren wie der "Brandner Kaspar und das ewig' Leben", mit dem das Volkstheater am 4. und 5. Juli den Schlusspunkt setzt. Franz von Kobells und Kurt Wilhelms Komödie um das ewige Drama von Leben und Tod hat Christian Stückl mit Stars wie Alexander Duda, Maximilian Brückner oder Stefan Murr inszeniert. Und wird wie alle anderen Veranstaltungen der Eröffnungswoche auf Resonanz stoßen: Nach den neuesten Richtlinien dürfen 900 statt der zunächst nur 500 genehmigten Zuschauer auf den Königsplatz eingelassen werden.

Eröffnungswoche "Bayern spielt" , Dienstag, 29. Juni, bis Montag, 5. Juli, Königsplatz

© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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