Dokumente zu jüdischem Leben in Deutschland sind teils schon viele Jahrhunderte alt. Beispielsweise erließ Kaiser Konstantin im Jahr 327 ein Edikt, um Menschen jüdischen Glaubens den Zugang zu öffentlichen Ämtern zu ermöglichen. Trotz der langen Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland ist das durchschnittliche Wissen der Deutschen über das Judentum stark begrenzt. Um dies zu ändern, hat die Bayerische Akademie der Wissenschaften eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe zum "Judentum in Bayern in Geschichte und Gegenwart" ins Leben gerufen. Am 10. Februar bildet die Podiumsdiskussion "Jüdisches Leben in Bayern" den Auftakt für das Forschungsprojekt. Dabei sollen in einem Generationendialog die verschiedenen Herangehensweisen an Glaube, Tradition, Erinnerungskultur und Antisemitismus erörtert werden sowie die Frage, wie jüdisches Lebens in der Gesellschaft sichtbarer werden kann.
Die Podiumsdiskussion wird eröffnet von Ludwig Spaenle, dem Antisemitismus-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung, und Josef Schuster, dem Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das Podium ist prominent besetzt. So diskutieren etwa Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern, die Münchner Schriftstellerin Lena Gorelik, die 1992 mit ihrer jüdisch-russischen Familie als "Kontingentflüchtling" aus St. Petersburg nach Deutschland kam, und Lena Prytula, ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland.
Die jüdische Geschichte ist fast überall sichtbar
Auch Professor Michael Brenner, Lehrstuhlinhaber für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der American University, Washington D.C., wird an der Podiumsdiskussion mitwirken. Er ist Mitglied an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und hat die Arbeitsgruppe initiiert. Unter Brenners Leitung wird die interdisziplinäre Forschergruppe drei Jahre lang in zwei Teilprojekten das Landjudentum im vorindustriellen Bayern und das jüdische Leben von 1945 bis in die Gegenwart untersuchen. "Die jüdische Geschichte Bayerns ist fast überall im Freistaat sichtbar, wenn man nur genau hinsieht: von den mittelalterlichen jüdischen Grabsteinen, die sich als Baumaterial in frühneuzeitlichen Häusern in Regensburg befinden, über die Judengassen in zahlreichen Orten bis hin zu restaurierten oder verfallenen Landsynagogen in Franken und Schwaben", sagt Brenner.
Bei dem Projekt steht außerdem der Dialog mit der Öffentlichkeit im Vordergrund. Mit Podcasts, Videos und Vorlesungen sollen Zwischenergebnisse kommuniziert werden. Diskussionen nach Veranstaltungen laden zum gegenseitigen Austausch ein. Am Ende des Forschungsprojekts soll es zusätzlich zum Abschlussbericht auch eine virtuelle Karte Bayerns geben, auf der öffentlich zugängliche Orte jüdischen Lebens in Geschichte und Gegenwart eingezeichnet sind. Auf diese Weise soll es stärker in das Bewusstsein der bayerischen Bevölkerung treten. "Es geht uns nicht nur darum, bereits bekannte Geschichten nochmals zu erzählen, sondern auch unbekanntere Aspekte zu erforschen und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln", sagt Brenner. Mit der öffentlichen Podiumsdiskussion wird der erste Schritt nun getan, um dies zu erreichen.
"Jüdisches Leben in Bayern. Ein Generationendialog" , Do. 10. Februar, 19 Uhr,Bayerische Akademie der Wissenschaften, Alfons-Goppel-Str. 11 (Residenz), persönliche Teilnahme über Anmeldung per Email (anmeldung@badw.de) oder ohne Anmeldung im Livestream auf www.badw.de