Kritik:Liebesleid

Ein Beethoven-Abend mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Von Klaus Kalchschmid, München

Im großen Beethoven-Handbuch (Bärenreiter/Metzler) werden Szene und Arie "Ah! perfido - Per pietà, non dirmi addio" gerade mal flüchtig erwähnt. Dabei ist der erste Versuch des 26-jährigen Beethoven mit der Oper höchst populär geworden. Und das nicht grundlos, ist es doch ein ebenso effekt- wie qualitätvolles Paradestück für jede Sopranistin, die nicht nur lyrisch unterwegs ist.

So bildete Christiane Karg mit dieser Konzert-Arie über eine von widerstrebenden Gefühlen geschüttelte Frau, die von ihrem Geliebten verraten wurde und die Götter um Mitleid anfleht, beim Beethoven-Abend des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Iván Fischer im Herkulessaal in jeder Hinsicht das Zentrum. Wie der junge Beethoven hier trotz aller Vorbilder von Gluck bis Mozart musikalische Expressivität und subtile Durchleuchtung des Textes miteinander verbindet, wird in der differenzierten Nachzeichnung durch Christiane Kargs ebenso schlank wie ausdrucksvoll geführten Sopran zum Ereignis. Auch das Orchester begleitet spannungsvoll und beredt.

Leider litten sowohl die vorausgehende achte wie die nachfolgende fünfte Symphonie unter Leitung von Ivan Fischer nicht nur an der großen Besetzung, sondern vor allem an einem enervierenden Dauer-Espressivo, das dynamische Schattierungen, sprechende Artikulation und rhythmische Prägnanz fast immer fatal einebnete. Natürlich spielten die BR-Symphoniker auf hohem Niveau, aber die vieles nivellierende Einheits-Lautstärke machte selbst der unverwüstlich brillanten Fünften zu schaffen. So groß die Vorfreude auf dieses Programm unter einem geschätzten Dirigenten war, so enttäuschend das Ergebnis; wie schön, dass wenigstens Christiane Kargs leuchtend intensive Vergegenwärtigung weiblichen Liebesleids in Erinnerung bleibt!

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