Bar Pigalle:Schummrige Zeiten

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Charmant: Di eBar "Pigalle" im Schlachthofviertel. (Foto: Stephan Rumpf)

Schmutzig statt putzig: Das Pigalle war mal ein Table-Dance-Lokal, doch jetzt sind die Animierdamen weg. Geblieben ist die alte Einrichtung: Jetzt trifft sich hier ein vergnügungswilliges Publikum, gerne auch älter und noch nicht reif genug für die Graumelierten-Fraktion im Schumann's.

Von Christian Mayer

Es gibt nicht mehr viele Orte in München, die sich dem allgemeinen Trend zur größtmöglichen Reinlichkeit, zur flächendeckenden Sanierung widersetzen. Okay, die Gegend südlich des Hauptbahnhofs hat sich noch ein wenig Verrucht- und Verrücktheit bewahrt, aber auch dort sind die Aufräumkolonnen schon am Werk, spätestens in zehn Jahren wird auch die Schillerstraße so blitzsauber und kernsaniert sein wie das Glockenbachviertel. Putzig statt schmutzig eben.

Zum Glück gibt es ja noch das Schlachthofviertel, das die Investoren bisher nur am Rande angenagt haben. Hier stehen noch ein paar schäbig-schöne Kneipen, zum Beispiel in der Thalkirchner Straße. Auf wundersame Weise hat dort auch das Pigalle die Zeiten überdauert: Bis vor kurzem war das ein Animierlokal, das noch die hohe Kunst des Stangentanzes pflegte und zumindest von außen mit einer Moulin-Rouge-Anmutung auf sich aufmerksam machte. Viele Jahre lang konnte man hier in "eine exklusive Welt eintauchen", wobei die "heißen Girls" nicht allzu viel Platz für ihre Darbietungen hatten: Das kleine Lokal besteht nur aus ein paar bequemen Sofas, einer erstaunlich geschmackssicheren Baumarkttapete, dem obligatorischen Tresen und einer etwa 25 Quadratmeter großen Tanzfläche.

Bar in der Isarvorstadt
:Impressionen aus dem Pigalle

Ein bisschen schmutzig statt putzig: Das Pigalle war mal ein Table-Dance-Lokal, doch jetzt sind die Animierdamen weg. Geblieben ist die alte Einrichtung: Jetzt trifft sich hier ein vergnügungswilliges Publikum, gerne auch älter und noch nicht reif genug für die Graumelierten-Fraktion im Schumann's.

Seit Dienstagnacht ist klar: Das Pigalle lebt auch nach Ende der Rotlichtzeit. Man kann den neuen Betreibern Stephan Alofs und Fabian Stingl dazu gratulieren, dass sie sich für eine behutsame Konservierung entschieden haben. "Wir wollten einfach den Charme erhalten, das haben wir auch bei den anderen Läden so gemacht", sagt Alofs. Zum Beispiel in der "Gruam", der beliebten Absturzkneipe direkt gegenüber der Großmarkthalle.

Aber wie funktioniert eine Table-Dance-Bar ohne Table Dance, ohne nackte Mädchen, ohne professionelle Animation? Am Dienstag, bei der Eröffnungsfeier, herrscht unter den Schummerlampen ein fröhliches, anarchisches Treiben, ein bisschen gaga, ein bisschen gay, man schämt sich auch nicht, wenn man 43 ist und noch nicht reif genug für die Graumelierten-Fraktion im Schumann's. Es ist heiß im Laden, aber auch verheißungsvoll.

Das bunt gemischte Publikum trinkt Rotkäppchensekt, Tegernseer Helles, Gin Tonic; die Burlesk-Show setzt auf Cabaret-Effekte, auch wenn man die Musik im Wohnhaus leider nicht so richtig hochdrehen kann. Und die Liza Minnellis aus dem braven München müssen zwar noch ein bisschen üben, aber sie sind auf gutem Weg, die Burlesk-Bewegung in dieser Stadt ist ja ohnehin kaum mehr aufzuhalten - und das neue, alte Lokal ist wie gemacht für kreative Amateure und Verrückte von der Stange.

Im Gegensatz zur Paradiso Tanzbar in der Müllerstraße, die auch schon schlüpfrigere Zeiten erlebt hat, wird es im Pigalle keinen Disco-Betrieb geben. Stattdessen will die Bar künftig auch Kabarettisten, Künstlern, Musikern eine Bühne bieten. Stephan Alofs könnte sich auch einen Late-Night-Talk vorstellen, so etwas wie "Inas Nacht", nur mit Schlachthofviertel-Charakter. Fehlt noch was? Eigentlich nicht. Hauptsache, es bleibt verrucht.

© SZ vom 03.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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