Ausstellung:Selbstbewusster Körpereinsatz

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Das Lenbachhaus zeigt in "Die Sonne um Mitternacht schauen" feministische Positionen in der Kunst.

Von Jürgen Moises

Was mit der Sonne nach dem Sonnenuntergang passiert, war für die Menschheit lange Zeit ein Rätsel. Heute wissen wir, dass sie einfach da bleibt, wo sie ist. Nur dass sie wegen der Erdrotation nicht mehr für uns, aber dafür für andere zu sehen ist. Mit ihrem Werkzyklus "Die Sonne um Mitternacht schauen" spielt die Fotografin Katharina Sieverding auf dieses alltägliche, nachts gerne mal vergessene Phänomen an. Und tatsächlich gehört zum Zyklus auch eine Installation, die aus Satellitenaufnahmen von der Sonne besteht und diese damit als Motiv hat. Es gibt aber auch Arbeiten wie "Kontinentalkern X / Die Sonne um Mitternacht schauen" (1988), die Selbstporträts mit goldenem Gesicht zeigt. Eine Anspielung auf die frühere Verehrung der Sonne als Gottheit, als Person?

"Die Sonne um Mitternacht schauen", so heißt auch die kommende Ausstellung im Lenbachhaus, in der "Kontinentalkern X" präsentiert wird. Gezeigt wird Gegenwartskunst aus der eigenen Sammlung und der KiCo Stiftung, die das Museum seit Jahren in Form von Leihgaben und Schenkungen unterstützt. So gab es schon vor drei Jahren mit "Mentales Gelb. Sonnenhöchststand" eine Präsentation mit Werken aus der Sammlung KiCo. Damals ging es vorwiegend um monochrome Malerei, nun stehen feministische Ansätze im Zentrum. Dementsprechend stammen die Werke fast ausschließlich von Frauen, zu denen neben Sieverding etwa Isa Genzken, Cindy Sherman, Maria Lassnig und Michaela Melián gehören.

Ein zentrales Thema: Der weibliche Körper und sein Verhältnis zur Gesellschaft. Valie Export und Friederike Pezold haben dieses bereits in den Sechzigern in Performances, Videos und Fotografien verhandelt. Auch Rosemarie Trockel rückt in der Zeichnung "Ohne Titel (RT 957)" von 2000 den weiblichen Körper ins Bild. "No more menat" steht mit durchgestrichenem "n" neben einer Frau mit entblößtem Oberkörper. Damit bringt Trockel "men" und "meat", Männer und Fleisch, zusammen. Eine selbstbewusste, ironische Spitze gegen den männlichen Blick? Ansonsten geht es um Identität, Sexualität, Gleichberechtigung, um Machtstrukturen, wie sie auch in der Kunstwelt existieren. Oder warum ist es so, dass Künstlerinnen noch immer weniger Ausstellungen haben und verdienen als ihre männlichen Kollegen?

Die Sonne um Mitternacht schauen. Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus und der KiCo Stiftung, 29. Sep. bis 1. Aug., Di.-So. 10-18 Uhr, Lenbachhaus, Luisenstr. 33, Telefon 23332000

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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