Ausstellung:Der Adonis aus Dänemark

Lesezeit: 4 min

Mit "Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. - Der dänische Bildhauer in bayerischem Auftrag" eröffnet die Glyptothek in München nach zweijähriger Sanierung wieder und feiert den 250. Geburtstag des Künstlers

Von Evelyn Vogel

Er verehrte und umschmeichelte ihn, und am liebsten hätte er ihn ganz nach München gelockt. Doch alles Werben von Kronprinz und späterem König Ludwig I. half nicht. Der dänische Bildhauer Bertel Thorvaldsen - Sohn eines aus Island stammenden Holzschnitzers - der 1770 in Kopenhagen geboren worden war, und von 1797 an in Rom zu Ruhm und Ehre gelangte, blieb lieber im sonnigen Süden. Dort hatte er einen festen Freundes- und einen zahlungskräftigen Käuferkreis. Dort unterhielt er an der Piazza Barberini ein herrschaftliches Atelier mit vielen Mitarbeitern, in dem zahlreiche der nach Bayern und anderswo gelieferten Skulpturen und Büsten entstanden und das zu besuchen jeder bildungsnahe Rom-Besucher zu seinem Pflichtprogramm zählte. Ein Studio von monumentalen Ausmaßen, das im reich bebilderten, von Florian S. Knauß herausgegebenen Katalog zur Sonderausstellung "Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. - Der dänische Bildhauer in bayerischem Auftrag" in der Münchner Glyptothek gar trefflich als "Skulpturenfabrik und Showroom" bezeichnet wird und als großformatiges Gemälde von Hans Detlef Christian Martens in der Ausstellung zu sehen ist.

Diese zeichnet vor allem die Beziehung zwischen dem Staatsmann und dem Künstler nach und zeigt ihre heute noch sichtbaren Spuren in München auf. Sie ist die Fortsetzung der 2020 im Thorvaldsens Museum in Kopenhagen gezeigten Ausstellung "Face to Face. Thorvaldsen and Portraiture", die beide im Zeichen des Deutsch-Dänischen Kulturellen Freundschaftsjahres stehen und an den 250. Geburtstag des berühmten Bildhauers erinnern, der zusammen mit dem Architekten Hansen, dem Dichter Andersen und dem Philosophen Kierkegaard für Dänemarks "Goldenes Zeitalter" steht. Zugleich wollte die Glyptothek damit schon im Dezember vergangenen Jahres ihr 190-jähriges Bestehen und die Wiedereröffnung nach zweijähriger Sanierung feiern. Wegen Corona findet das alles nun später statt. Und die Sonderausstellung mit Leihgaben aus Kopenhagen, aber auch von den umgebenden Münchner Museen, eröffnet an diesem Donnerstagabend wegen der pandemiebedingten Einschränkungen auch rein digital.

Ludwig I. und Thorvaldsen - das war eine vielschichtige Beziehung. Der selbstbewusste und am eigenen Mythos arbeitende Thorvaldsen strebte nach Schönheit und Vollendung, orientiert an antiken Vorbildern, für die sich auch Ludwig sehr begeisterte. Nach dem Motto "Mehr Ideal als vollkommen ähnlich" schuf Thorvaldsen in knapp 50 Jahren mehr als 170 Porträtbüsten von Zeitgenossen. Darunter auch das bald nach der ersten persönlichen Begegnung 1818 in Rom entstandene und seit 1830 in der Glyptothek ausgestellte Porträt Ludwigs als Kronprinz.

In der Ausstellung steht die Büste umgeben von zahlreichen Selbstporträts Thorvaldsen, dessen scharf geschnittene Gesichtszüge - sofern die Idealisierung nicht des Guten zu viel tat - mit dem Alter weicher wurden. Doch er galt zeitlebens als attraktiver Mann, der zwar Vater einer Tochter war, aber nie heiratete und zahlreiche Verehrerinnen hatte. Hinzu kommen in der Ausstellung Gemälde, die ihn wie auch Ludwig I. zeigen. Ein Bildnis des Königs, von Josef Karl Stieler gemalt, hing viele Jahre über Thorvaldsens Sofa in der Casa Buti in Rom. Einen Einblick in die Arbeitsweise gibt zudem eine Reihe, die am Beispiel der Ludwig-Büste die Werkschritte illustriert: vom Entwurf über das Tonmodell und den Gipsabguss bis hin zur Marmorporträt.

Zu den bekanntesten Werken Thorvaldsens zählt die lebensgroße Marmorstatue des "Adonis" - sie ist als Leihgabe aus der Neuen Pinakothek in der Ausstellung zu sehen. Außerdem das überlebensgroße, bronzene Reiterdenkmal für Kurfürst Maximilian I. auf dem Wittelsbacherplatz und das Grabdenkmal für Eugène de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg und Schwager Ludwigs I., in der St.-Michaels-Kirche. Dass Ludwig auf den Adonis, den er bereits 1808 bei Thorvaldsen in Auftrag gegeben und schon zwei Jahre später bezahlt hatte, jahrelang warten musste - der Adonis traf erst 1832 in München ein - tat der freundschaftlichen Zuneigung des Wittelsbachers zum Dänen keinen Abbruch. Im Gegenteil, er beauftragte ihn mit der Ergänzung der 1812 erworbenen Ägineten, die die Trojanischen Kriege darstellen.

Seit 1830 in der Glyptothek ausgestellt: Die Marmorbüste Ludwigs als Kronprinz, entstanden 1821.

1 / 1
(Foto: Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek/Renate Kühling)

Den Torso einer Sphinx vom Aphaiatempel auf Ägina, entstanden um 490 v. Chr., ergänzte Thorvaldsen 1816-18 zu einem Greif.

Diese frühgriechischen Giebelfiguren vom Aphaiatempel auf der Insel Ägina sind bis heute der größte Schatz der Glyptothek. Die Ergänzung der fragmentarischen Skulpturen - Thorvaldsen tat dies ab 1815 in klassizistischem Stil - gilt als die umfangreichste Antikenrestaurierung, die jemals vorgenommen wurde, wie Florian S. Knauß im Katalog schreibt.

An ihnen hat sich im 19. und 20. Jahrhundert Lob, aber auch Kritik festgemacht. Und die Glyptothek hat sich der Gruppe und ihren Ergänzungen auch schon mehrfach gewidmet. Trotz aller künstlerischer Verdienste, die Bertel Thorvaldsens hatte: Als er die große Gruppe auf Geheiß Ludwigs vervollständigen sollte, indem er Torsi, Köpfe und Gliedmaßen ordnete und fehlende Teile hinzufügte, hörte der Herrscher weder auf den Bildhauer, noch auf andere Ratgeber. Doch dass Thorvaldsen die Figur des Fallenden nicht stehend, sondern liegend ergänzte, gehörte wohl zu seinen eigenen Fehlinterpretationen.

Im letzten Kapitel der Ausstellung stehen weitere Büsten, unter anderem die von Napoleon Bonaparte auf einem Adler und die von Vittoria Caldoni - jener 15-jährigen Tochter eines armen Winzers aus Albano, die so vielfach dargestellt wurde, dass ihr Gemälde von Friedrich Overbeck den Pinakotheken als It-Girl dient. Ausgehend von der Sammlung antiker Bildnisse wird verdeutlicht, in welcher Tradition zwischen Antike, Spätbarock und Klassizismus sich Thorvaldsen sah, in welchem Ausmaß er sich antike Porträtformen aneignete, sie weiterführte und zeitgenössisch interpretierte - beispielsweise, wenn er den Frauen wahlweise die Rüschen bis zum Hals hochzog oder ihr Dekolleté großzügig blank ließ, wie es nur bei Männerbüsten üblich war. Eine schöne Schau, der man ebenso wie dem wiederöffneten Haus, zahlreiche Besucher wünscht.

Bertel Thorvaldsen und Ludwig I. - Der dänische Bildhauer in bayerischem Auftrag, Glyptothek am Königsplatz, bis 25. Juli, digitale Eröffnung: Do., 25. März, 19.30 Uhr per Livestream auf Youtube, alle Infos unter www.antike-am-koenigsplatz.mwn.de

© SZ vom 25.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: