Aubing/Obermenzing:Die Angst vor den Besucher-Karawanen

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Politiker sorgen sich weniger als die Anwohner

Von Ellen Draxel und Jutta Czeguhn, Aubing/Obermenzing

- Bauherr Michael Amberger prophezeit dem Bergson eine "Sogkraft". Von der Innenstadt bis zum Kulturkraftwerk seien es nur 14 Minuten mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof bis zum Halt Langwied und dann noch 800 Meter zu Fuß. Und wer mit dem Auto anreise, dem stünden 200 Parkplätze zur Verfügung. Was die Frage aufwirft, wie sich ein möglicher Ansturm auf die Straßen der näheren Umgebung auswirkt. Aubings Bezirksausschuss-Chef Sebastian Kriesel (CSU) macht sich da nicht allzu große Sorgen. Schließlich liege das Heizwerk relativ nahe am Autobahnkreuz München-West. Zudem werde "der Kultur- und Freizeitverkehr ja außerhalb der Stoßzeiten für den Berufs- und Schülerverkehr" laufen. Gebraucht werde aber eine Ergänzung im öffentlichen Nahverkehr. "Denn die S-Bahn-Station ist nah, aber nicht direkt vor der Haustüre."

Die Verkehrsfrage ist auch der Knackpunkt, wenn man sich im Nachbarbezirk Pasing-Obermenzing umhört, den Luftlinie nur ein paar Hundert Meter vom Bergson-Projekt trennen. Bezirksausschuss-Vorsitzender Frieder Vogelsgesang (CSU) ist selbst Architekt und qua Metier uneingeschränkt begeistert davon, was Kollege Markus Stenger und sein Büro an Plänen für das alte Heizwerk vorgelegt haben. Und Vogelsgesang, obwohl bekennender Heavy-Metaller, kennt das Konzerthaus Blaibach, dessen Intendant Thomas E. Bauer nun als künstlerischer Berater beim Kulturkraftwerk dabei sein wird. "Die Leute fahren dorthin, ins tiefste Niederbayern", weiß er. Woraus man ableiten könnte, dass, wenn das Projekt im Paket nur attraktiv genug ist, auch das Bergson tief im Westen Münchens sein Publikum finden wird. Doch was, wenn dieses dann über die heute schon notorisch überlasteten Straßen in Pasing und Obermenzing anrückt? Vogelsgesang wünscht sich, dass die Investoren zusammen mit der Politik vor Ort Konzepte ersinnen. Ein Shuttle-Bus vom Pasinger Bahnhof etwa könne eine Option sein. Oder ein in den Eintrittskarten integriertes MVV-Ticket.

Vom Ansturm der Kulturbegeisterten via Privat-Pkw Richtung Bergson besonders betroffen wären die Anwohner der Alten Allee und der namensgebenden Bergsonstraße. Dort gibt es eine rührige Interessengemeinschaft. Das ambitionierte Kulturprojekt lässt bei den Mitgliedern natürlich die Alarmglocken schrillen. Ihr Vorsitzender Helmut Rothballer kommentiert: "Die Verkehrserschließung des Objekts erfolgt insbesondere über die Alte Allee und Bergsonstraße. Aubing wird davon kaum tangiert. Die Verkehrsbelastung in unseren Straßen ist bereits heute schon sehr hoch." Dazu solle nun noch das neue Stadtquartier Dreilingsweg/Mooswiesenstraße mit circa 1000 Wohnungen gebaut werden. Auch das Neubaugebiet Freiham werde unweigerlich eine weitere Erhöhung des Durchgangsverkehrs in den Obermenzinger Straßen mit sich bringen. Rothballer verweist auf ein Gerichtsverfahren aus dem Jahr 2019, bei dem die Landeshauptstadt München habe eingestehen müssen, dass die zulässigen Lärmgrenzwerte an der Alten Allee und der Bergsonstraße weit überschritten seien, bei Tag wie bei Nacht. "Das Verwaltungsgericht hat die Stadt dazu verurteilt, Lärmminderungsmaßnahmen zumindest für die Nachtzeit vorzunehmen. Aber dies ist bis heute nicht erfolgt", sagt Rothballer. Der Verkehr zum Bergson-Projekt wird sich auch überwiegend in der Nachtzeit abspielen. "Wie dies alles zukünftig mit den bereits bestehenden und bisher schon sträflich missachteten gerichtlichen Auflagen in Einklang gebracht werden soll, ist uns schleierhaft."

© SZ vom 24.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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