Au/Haidhausen:Kampf dem Kommerz

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Der Bezirksausschuss Au-Haidhausen setzt sich gegen den "Kulturstrand" am Vater-Rhein-Brunnen zur Wehr. Auch an der Vergabe an die Urbanauten äußert das Gremium heftige Kritik

Von Hubert Grundner, Au/Haidhausen

Die Entscheidung des Stadtrates, im nächsten Jahr den Kulturstrand erneut am Vater-Rhein-Brunnen stattfinden zu lassen, hat im Bezirksausschuss (BA) Au-Haidhausen alles andere als Begeisterung geweckt. Im Gegenteil: An der Veranstaltung wie auch an der Vergabe an die Urbanauten äußerten Mitglieder des Gremiums teils heftigste Kritik. "Das ist meines Erachtens getürkt", schimpfte die Gremiumsvorsitzende Adelheid Dietz-Will (SPD) über die Art und Weise, wie der Beschluss zustande kam.

Insbesondere zeigten sich die Lokalpolitiker erbost über die Aussagen des Kreisverwaltungsreferats (KVR), die der Entscheidung vorausgegangen waren. So resümierte die Behörde nach dem diesjährigen Spektakel an der Ludwigsbrücke, dass sich der Standort bewährt habe. Lediglich eine Bürgerbeschwerde sei eingegangen, die sich im Wesentlichen auf Belange des Naturschutzes bezogen habe. Die seien jedoch, so das KVR, umfassend berücksichtigt worden. In gleicher Angelegenheit hat außerdem ein Anlieger gegen die Stadt Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben. Eine Hauptsacheentscheidung stehe noch aus. Anschließend heißt es in der Beschlussvorlage: "Dem Kreisverwaltungsreferat liegen darüber hinaus keine weiteren Beschwerden vor. Insbesondere fällt positiv auf, dass keine Lärmbeschwerden beim Kreisverwaltungsreferat eingingen."

Gerade dieser Passus brachte nicht nur Dietz-Will regelrecht auf die Palme. Die Behauptung, es gebe keine Beschwerden, sei gelogen, so die Vorsitzende. Sie wie einige andere Mitglieder der SPD- und der CSU-Fraktion beteuerten, sehr wohl Beschwerdeführer zu kennen.

Unter Berufung auf Auskünfte der Polizeiinspektion 22 (Bogenhausen) wurden laut KVR während des Kulturstrands immerhin drei Ruhestörungen registriert. Einschränkend heißt es aber gleich im Anschluss: "Da als Einsatzörtlichkeit immer die Praterinsel angegeben wurde und der Kulturstrand auf der unmittelbar benachbarten Örtlichkeit Auf der Insel stattfand, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Ruhestörungen auf Veranstaltungen aus dem Raum für Events auf der Praterinsel, also nicht auf den Kulturstrand bezogen."

Wunderten sich die BA-Mitglieder schon über die Darstellung der Polizei, so waren sie regelrecht baff über einen anderen Umstand: So hatte es bei der vergangenen Bürgerversammlung für die Au lautstarke Proteste gegen den Kulturstrand gegeben. Sie mündeten am Ende in eine Empfehlung des Bezirksausschusses an den Stadtrat, die Veranstaltung am Vater-Rhein-Brunnen nicht fortzuführen. Davon war jedoch in der Beschlussvorlage des Kreisverwaltungsreferates keine Rede. Sollte das Votum der Bürger aus der Au auf unerklärliche Weise in der Verwaltung verloren gegangen sein? Dazu verlangt das Gremium jetzt Auskunft.

Als zumindest fragwürdig wurde auch das Auswahlverfahren für den Veranstalter empfunden; Neubewerber ohne Erfahrung waren dabei von vornherein ausgeschlossen. Hier stellte sich die Stadt gegen gängige Rechtsprechung. Dies glaubte man aus sachlichen Gründen tun zu dürfen. Unter anderem verwies das KVR auf die Veranstaltungszeit von drei Monaten und eine Vergabelaufzeit von drei Jahren. Aus seiner Sicht war es deshalb geboten, "einen bewährten, erfahrenen Bewerber zu wählen, der die hohen Anforderungen dahingehend erfüllt, über einen längeren Zeitraum eine qualitativ hochwertige Kulturveranstaltung durchführen zu können". Zu 100 Prozent scheint man sich im KVR dann aber doch nicht sicher gewesen zu sein, ob das Vergabeverfahren einer strengen Prüfung standhält: Immerhin empfahl die Behörde den Stadträten, "ein gewisses rechtliches Risiko in Kauf zu nehmen. Rechtsprechung zu der beim Kulturstrand vorliegenden Konstellation existiert - soweit ersichtlich - nicht". Im Bezirksausschuss Au-Haidhausen wurden am Mittwochabend denn auch Stimmen laut, die unterstellten, dass anscheinend alles getan werden sollte, damit die Urbanauten den Zuschlag erhalten.

In Maßen froh sind die Lokalpolitiker lediglich darüber, dass die Stadträte beschlossen haben, das Partytreiben am Vater-Rhein-Brunnen nicht für drei Jahre, wie ursprünglich vorgeschlagen, sondern nur für 2016 zu genehmigen. Sollte das Gastspiel der Urbanauten an der Ludwigsbrücke danach wirklich beendet sein, wäre das aus Sicht von Adelheid Dietz-Will kein Verlust: "Das ist kein Kulturstrand, sondern ein Kommerzstrand", lautet ihr Urteil, das eine Mehrheit im BA ganz offensichtlich teilt.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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