Au/Haidhausen:Die "ewige" Vorsitzende

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Gerne "Krach gemacht": Adelheid Dietz-Will tritt im März nicht an. (Foto: Robert Haas)

40 Jahre hat Adelheid Dietz-Will als Stadträtin und im Lokalgremium die Viertel mitgeprägt. Jetzt verabschiedet sich die streitbare 77-Jährige aus der Kommunalpolitik. Eines aber will sie noch erreichen.

Von Johannes Korsche, Au/Haidhausen

Schon 2008 betitelte die SZ Adelheid Dietz-Will (SPD) als "ewige Vorsitzende" des Bezirksausschusses (BA) Au-Haidhausen. Aber auch Ewigkeiten in der Politik gehen einmal zu Ende. Und so wird die "ewige Vorsitzende" bei dieser Kommunalwahl nicht mehr antreten. Schmunzelnd erzählt sie von einem Bekannten, der sie auf ihren Abschied aus der Politik angesprochen habe und sie überreden wollte, weiterzumachen. Sie habe daraufhin gefragt, wie alt er denn sei. "76, hat er gesagt. Na, dann machst du noch ein Jahr", habe sie darauf erwidert. Dietz-Will ist 77 Jahre alt. Nach 40 Jahren kommunalpolitischer Arbeit im Stadtrat (von 1989 bis 2002) sowie im Bezirksausschuss (seit 2000 als Vorsitzende) endet nun eine politische Ewigkeit in Haidhausen und der Au.

Dass die diplomierte Landschaftsarchitektin einmal in München wohnen, geschweige denn politisch aktiv werden würde, kam dabei eher zufällig. Sie sei ihrem damaligen Freund -und heutigem Ehemann - eben 1960 nach München gefolgt, erzählt sie. Bis heute sind unzählige Orte in Haidhausen entstanden, die anders aussehen würden, hätte Dietz-Will nicht "Krach gemacht", wie sie es selbst nennt. "Mich hat es immer gefreut, wenn es die auch ein bisschen geärgert hat", sagt sie. Mit "die" meint sie jene, die im Viertel Dinge umsetzen wollten, zu denen Dietz-Will gerne so etwas sagt wie: "Das geht so nicht." Oder "Katastrophe." Oder "Der spinnt."

Wer Dietz-Will zuhört, wie sie durch die Themen galoppiert, die sie in ihren vier Jahrzehnten Stadtpolitik beackert hat, wundert sich nicht über einen zunächst etwas schrägen Vergleich, den Andreas Micksch, seit 1994 durchgängig für die CSU im BA, findet: "Bei ihr ist es ein wenig wie bei Edmund Stoiber: Sie denkt schneller, als sie sprechen kann." Sie setze dadurch beim Zuhörer viel Vorwissen voraus, schließlich sei sie selbst ja auch immer sehr in die Themen eingearbeitet gewesen, sagt Micksch. "Sie hat sich immer wahnsinnig viel Zeit genommen." Zuhören, Einarbeiten. Sie sei damit ein "Vorbild für alle BA-Mitglieder und Vorsitzenden", adelt sie Micksch.

Erreicht hat sie mit diesem Engagement vieles. "Das Wichtigste war die Verkehrsberuhigung" im Viertel, sagt Dietz-Will rückblickend. Gegen die Idee einer autogerechten Stadt habe sie in Haidhausen früh für "Stöpsel am Preysingplatz" gekämpft. Um den Durchgangsverkehr aus dem Viertel herauszuhalten. Dass "verbrannter Diesel tödlich" sei, sei doch damals schon bekannt gewesen - nur interessiert habe es die wenigsten. In den Folgejahren kamen die Fußgängerzone Weißenburger Straße, die Aufwertung des Bordeauxplatzes und der autofreie Wiener Platz dazu. Auch Tempo 30 entlang der Rosenheimer Straße passt in diese Haidhauser Tradition.

Bei all dem war Dietz-Will immer der Kontakt zu den Anwohnern und Nachbarn wichtig. Stolz erzählt sie davon, wie sie Anwohner des Bordeauxplatzes einst davon überzeugte, die damals kranken Ulmen auszutauschen. "Da bin ich rumgezogen, zu denen im vierten, fünften Stock und habe mit denen geredet." Obwohl die älteren Mieter kaum damit rechnen konnten, von den langsam wachsenden, neugepflanzten Bäumen zu profitieren, habe sich am Ende keiner beschwert. Immer die Leute fragen, erklären, überzeugen und gemeinsam Druck auf die oberen Entscheider aufbauen. Das kommt dem Idealbild von Kommunalpolitik, einer Bürgerbeteiligung, wie sie Dietz-Will versteht, sehr nahe.

Bei einer Geschichte aus den vergangenen 40 Jahren hat Dietz-Will aber nicht auf den Druck der Bürger vertraut. Auch weil sie keine Zeit mehr hatte, den zu organisieren. Sie habe eine Woche vor dem Stadtratsentscheid gehört, dass die Flusstreppen in der Isar auf Höhe der Schwindinsel weg sollten. Damals war Christian Ude (SPD) noch Oberbürgermeister. Schnell habe sie die alten Pläne recherchiert, "da muss doch Denkmalschutz drauf sein", habe sie sich gedacht. Sie hatte recht damit. Und wenn sie über die Brücke spaziert und auf das die Treppen hinunterplätschernde Wasser der Isar blicke, dann "freue ich mich schon". Mit dem Ausdruck "Freude" ist Dietz-Will normalerweise eher sparsam.

Nicht nur die Isar, auch die städtischen Parks und Erholungsräume sind Dietz-Will bis heute immens wichtig. Als Projektleiterin des städtischen Beitrags zur Bundesgartenschau 2005 stellte sie damals die Geschichte und Entwicklung städtischer Grünflächen in Pavillons vor. Dass in ihrem dicht bebauten Viertel zumindest ein bisschen Grün bleibt, war eines ihrer Hauptthemen in den vergangenen Jahren, zum Beispiel bei der Diskussion ums Maxwerk, den Hypo- und den Kronepark.

Ihren Nachfolgern will sie keine Ratschläge geben. Nur zu einem lässt sie sich hinreißen: Bei den Spielplätzen im Viertel stehe noch einiges an. Aber sie wird sich mit anderem die Zeit vertreiben. Zunächst will sie ihre Diplom-Arbeit über "Cadmiumverarbeitende Betriebe und ihre Beschäftigten in der ökologischen Auseinandersetzung" veröffentlichen. Und, so kündigte sie es auf ihrer letzten Bürgerversammlung im Januar an, mindestens ein Thema werde sie weiterhin engagiert bearbeiten: den Klenzesteg, der die Isarvorstadt mit der Au verbinden könnte. "Dass wir uns da treffen können", sagte sie damals unter Applaus. Adelheid Dietz-Will wird also nicht aufhören, für die Haidhauser und Auer ein offenes Ohr zu haben.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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