Architekturspaziergang:Schmuckstücke rund um den Schlachthof

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Das Viertel nahe dem Südfriedhof hat sich stark verändert, Wohnen ist teuer geworden. Das hat aber nicht nur schlechte Seiten.

Von Andreas Schubert (Texte), Stephan Rumpf (Fotos) und Martin Moser (Video)

Wenn es in München um das Thema Gentrifizierung geht, wird das Schlachthofviertel in der Isarvorstadt immer als eines der ersten unter jenen Quartieren genannt, die in den vergangenen Jahren einen starken Wandel erlebt haben. In den 1990-er Jahren waren große Teile der Gegend noch als Glasscherbenviertel verrufen. Dann setzte die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen ein, und in den vergangenen zehn Jahren haben sich die Wohnpreise in vielen Objekten zum Teil verdoppelt. Viele Alteingesessene konnten sich die Mieten nicht mehr leisten oder mussten wegen Eigenbedarfs neuen Bewohnern Platz machen. Doch das ist nicht nur negativ. Denn gerade der Teil des Schlachthofviertels, der heute als Dreimühlenviertel bekannt ist, ist geprägt von schmucken Altbauten, die in den vergangenen Jahrzehnten arg heruntergewohnt waren und nach und nach saniert wurden. So stehen inzwischen weite Teile des historischen und denkmalgeschützten Gebäudebestandes wieder in altem Glanz da, mit Reliefs und Malereien an den Fassaden. Viele Objekte wurden behutsam saniert, manchen aber haben die Bauherren ihren Altbaucharme entrissen.

Die meisten Häuser entstanden Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Prägende Baustile waren die sogenannte Neurenaissance und Neubarock. Viele der Baumeister wie etwa der berühmte Max Littmann, Erbauer des Hofbräuhauses und des Prinzregententheaters, haben dem gesamten damaligen Stadtgebiet ihren Stempel aufgedrückt. Eine Auswahl zu treffen, welche Häuser man sich im Besonderen anschauen sollte, fällt so nicht ganz leicht.

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Wer das Viertel, das weitestgehend in seiner ursprünglichen Bebauung erhalten geblieben ist, kennenlernen möchte, kann sich auch einfach mal bei schönem Wetter in ein Café setzen, das Flair genießen und sich vorstellen, wie es wohl vor 100 Jahren hier zugegangen sein mag: Damals war das Schlachthausviertel genannte Quartier von Arbeitern geprägt, der Schlachthof weitaus betriebsamer als heute. Er reichte bis 1975 bis zur Kapuzinerstraße. Und damals war der alte Südfriedhof (der streng genommen nicht zum Schlachthofviertel gehört) auch noch kein wildromantisches Denkmal, sondern ein ganz normaler Gottesacker.

Zwischen Thalkirchner Straße und Tumblingerstraße prägt noch immer der Schlachthof das Erscheinungsbild der Gegend. Die Backsteinoptik der gesamten Gebäude wurde in den 1980-er Jahren auch beim Bau der heutigen Agentur für Arbeit übernommen. Und das frühere "Städtische Brausen- und Wannenbad", in dem die Schlachter und Anwohner, die kein eigenes Bad hatten, gegen Entgelt duschen oder baden konnten, ist schon seit 1983 ein Jugendtreff, der leicht an den vielen Graffiti an der Wand erkennbar ist.

Noch in den 1980-er Jahren prägten auch die vielen Metzger und Viehhändler vor allem in den frühen Morgenstunden das Bild der Straßen. Dem hat der Regisseur Franz Xaver Bogner damals mit seiner Fernsehserie "Zur Freiheit" ein filmisches Denkmal gesetzt. Doch die früheren Viehhallen, in denen die Rinder mit Handschlag gehandelt wurden, gibt es schon seit 2005 nicht mehr. Bis 2017 ist dort jeden Sommer noch das Viehhof-Kino-Open-Air, das nächstes Jahr allerdings dem Bau des neuen Volkstheaters weichen muss. Auch der dortige Wandel wird voraussichtlich wieder einen Einfluss auf das gesamte Quartier haben: Denn Wohnbebauung ist auf dem Viehhofgelände in der Nähe der Verladerampe des früheren Südbahnhofs mittelfristig ebenfalls vorgesehen.

Im Jahr 2017 jedenfalls hat dieser Teil des Schlachthofes noch einen leicht rustikalen Charme. Wer zum Beispiel draußen bei Feinkost Monti seine Pasta genießt, sieht auch mal Viehtransporter vorbeifahren, die in der Waschanlage von ihrem Mist befreit werden, der je nach Wetterlage schon von Weitem zu riechen ist. Überhaupt stinkt es noch regelmäßig in der Gegend nach Schlachthof, weshalb so mancher Anwohner nichts gegen eine Verlagerung desselben in die Peripherie gehabt hätte. Diese Pläne jedoch scheinen vom Tisch zu sein, das Schlachthofviertel hat wohl noch länger seinen Namen verdient.

Vielleicht kommt es aber irgendwann, dass der Name nur noch an frühere Zeiten erinnert, so wie die Dreimühlenstraße. Als die Isarvorstadt noch von Bächen durchzogen war, standen dort eben drei Mühlen. Eine Entdeckungstour lohnt sich. Und wenn sie länger dauert: Zum Einkehren gibt es tagsüber wie am Abend genug gute Lokale.

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1. Thomasbräukeller

Warum es sich lohnt innezuhalten: In der Denkmalliste ist das Gebäude gegenüber der heutigen Agentur für Arbeit so beschrieben: Deutsche Renaissance, monumentales Wohnhaus mit gewölbten Gastwirtschaftsräumen im Erdgeschoss, mit Steinerkern. Der Baumeister Grässel ist insofern interessant, weil er nicht nur einige prominente Gebäude in München entworfen hat wie etwa das frühere Brausebad an der Theresienwiese oder das ehemalige Verwaltungsgebäude für Arbeiterangelegenheiten an der Thalkirchner Straße, in dem heute Luxuswohnungen untergebracht sind. Auf ihn geht auch ein damals völlig neuartiges Friedhofskonzept, das des Waldfriedhofs (erstellt 1899 bis 1907), zurück. Das Haus am Kapuzinerplatz prägt die Umgebung wie kein zweites. Und reinschauen lohnt sich ebenfalls: Unter dem Gewölbe der Schwemme lässt sich im heutigen Paulaner Bräuhaus vorzüglich speisen und trinken.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Der Alte Südfriedhof ist der älteste Zentralfriedhof der Stadt.

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(Foto: Stephan Rumpf)

In den Jahren von 1788 bis 1886 war er die einzige Begräbnisstätte Münchens. Heute dient das sieben Hektar große Gelände den Münchnern als Park.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Und wer durch den Friedhof schländert, sollte die Grabinschriften lesen. Denn hier liegen bekannte Persönlichkeiten, wie etwa Leo von Klenze, der es als Hofarchitekt von Ludwig I. zu Ruhm gebracht hat.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Auch Friedrich von Gärtner, der neben Klenze der bedeutendste Baumeister unter Ludwig I. war, hat auf diesem Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden.

2. Alter Südfriedhof (Südteil)

Warum es sich lohnt innezuhalten: Auch wenn der alte südliche Friedhof schon selber einen stundenlangen Aufenthalt wert ist, sollte man zumindest eine halbe Stunde im südlichen, neueren Teil der Anlage einplanen (für den Rundgang den Eingang an der Kapuzinerstraße nehmen), wenn man schon in der Gegend ist. Die Anlage wurde im Stile eines italienischen Campo Santo gebaut, mit nach innen offenen Arkaden. Weite Teile der von Gärtner entworfenen Bauten wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zu sehen sind allerdings noch die Arkaden an der Nordseite, wo sich unter anderem die Grabstätte von Gärtner selbst sowie auch die des Baumeisters Leo von Klenze und anderer historischer Persönlichkeiten finden. Neben Letzterem gilt Gärtner als einer der bedeutendsten Münchner Architekten. Von ihm stammen unter anderem die Feldherrnhalle, die Ludwigskirche und das Gebäude der Ludwig-Maximilians-Universität.

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3. Klosterkirche St. Anton

Warum es sich lohnt innezuhalten: 1846 wurde das Kapuzinerkloster gegründet, nach Entstehung des Schlachthofviertels wurde jedoch die bereits aus dem Jahr 1703 stammende, barocke Schmerzhafte Kapelle für die Gläubigen zu klein. Ludwig Marckert entwarf eine neuromanische Basilika, die mit ihren Eisengittern an der Front an romanische Kirchen in Rom erinnert. Marckert zeichnete für eine Reihe von Mietshäusern im Stil der Deutschen Renaissance und des Neubarocks verantwortlich. St. Anton ist sein größtes Bauwerk, dessen Inneres in den 1960-er Jahren leider weitgehend kaputtmodernisiert wurde. Interessant ist aber auch die gesamte Klosteranlage. Nachdem Ludwig I. den Kapuzinern den Grund südlich des Südfriedhofs zugewiesen hatte, entstand von 1846 bis 1856 ein Vierflügelbau mit spätklassizistischem Portalvorbau. Heute ist im Kloster unter anderem die katholische Journalistenschule IFP untergebracht.

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4. Rodenstock-Garten

Warum es sich lohnt innezuhalten: Ja, warum eigentlich? Weil man an diesem Beispiel einer Wohnanlage sehen kann, wie teurer Baugrund heutzutage maximal ausgenutzt wird. Auf dem früheren Gelände des Brillenherstellers Rodenstock ist eine Anlage entstanden, die von der Idee her zumindest nicht schlecht klingt: Nähe zur Isar, großer, grüner Innenhof mit teils großen Balkonen - und um die Attraktivität zu steigern, haben sie extra den vorher unterirdisch verlaufenden Westermühlbach wieder freigelegt. Dort haben die Bewohner ihre Balkone und Terrassen jetzt direkt am Wasser, und auch für Spaziergänger stehen gegenüber diesen Terrassen Stufen zum Verweilen zur Verfügung. Es ist, von ästhetischen Fragen mal abgesehen, ein interessanter Kontrast zum historisch gewachsenen Viertel drumherum. Und im Vergleich zum Siebzigerjahre-Wohnbunker auf dem Roeckl-Gelände gegenüber ist das Ensemble durchaus gelungen.

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5. Wohnanlage Dreimühlenstraße

Warum es sich lohnt innezuhalten: Vor allem die Hinterhöfe machen den Reiz dieses laut Denkmalliste "schlicht barockisierenden" Ensembles, das bis zur Thalkirchner Straße reicht, aus. Von der Dreimühlenstraße aus ist der Zugang offen. Architekten sind Jakob Heilmann (1846-1927) und sein Schwiegersohn Max Littmann (1862-1931). Das Unternehmen war seinerzeit einer der Branchenführer in Süddeutschland. Es prägte das Stadtbild Münchens nachhaltig, zu den bekanntesten von Heilmann & Littmann errichteten Bauwerken gehören das berühmteste Wirtshaus der Welt, das Hofbräuhaus am Platzl, das Prinzregententheater, die Schackgalerie, das Verlagshaus der Münchner Neuesten Nachrichten an der Sendlinger Straße (später SZ) und vieles mehr. Das Hinterhof-Ensemble in der Dreimühlenstraße ist vielleicht nicht so berühmt, diente aber 1961 als Kulisse in der ersten Folge der legendären Fernsehserie "Funkstreife Isar 12".

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6. Wohnhaus Ehrengutstraße

Warum es sich lohnt innezuhalten: Schon von Weitem fallen der mächtige Eckturm und die schlossartige, malerische Dachgestaltung des Gebäudes auf. Es ist auch unter den vielen schönen Häusern, die drumherum stehen, eine Besonderheit. Ein Wohnhaus mit einem Turm: Dürften heutige Baumeister ähnlich verschwenderisch mit Platz umgehen, München wäre deutlich schöner. Wer aber weiß, wer der Architekt des Hauses an der Ehrengutstraße ist, wundert sich nicht mehr über den villenartigen Charakter dieses Schlösschens im Schlachthofviertel. Auf August Exter geht die Villenkolonie Neu-Pasing I zurück. Exter war Verfechter des Gartenstadt-Gedankens, der Menschen in Zeiten von überfüllten, verschmutzten und von Epidemien geplagten Städten wieder Leben im Grünen ermöglichen sollte. Er realisierte das Projekt auf eigene Kosten. Heute ist in Pasing nach ihm eine Straße benannt.

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7. Kirche St. Andreas

Warum es sich lohnt innezuhalten: Innen besticht der Kirchenraum durch seine helle Schlichtheit. Der einfache Satteldachbau mit seinem hohen Turm und den ihrer Zeit entsprechenden Formen ist von außen dagegen nicht weiter auffällig. Wer weiß, dass dahinter Ernst Maria Lang steckt, bleibt vielleicht doch eher mal stehen. Der Architekt Lang, der 1971 bis 1991 Präsident der Bayerischen Architektenkammer und später deren Ehrenpräsident war, hat vielleicht nicht ganz so viel gebaut wie mancher historischer Vorgänger. Das Stadtbild hat er gleichwohl unübersehbar geprägt. Von seinem Reißbrett stammen etwa die Studentenstadt Freimann und das Hacker-Zentrum auf der Theresienhöhe. Berühmt war Ernst Maria Lang aber als bedeutender politischer Karikaturist, der jahrzehntelang auch für die Süddeutsche Zeitung mit seinen Zeichnungen das Weltgeschehen kommentierte.

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