Sie sei, sagt die alteingesessene Nymphenburgerin Barbara Marc, "mit großer Sorge" zur Präsentation des Fassadenentwurfs für das neue Naturkundemuseum Biotopia im nördlichen Flügel von Schloss Nymphenburg gekommen: "Aber ich bin sehr erleichtert. München bekommt eine neue, interessante Architektur und nicht, wie beim Berliner Stadtschloss, ein ,Fake'." Natürlich gibt es auch die konträre Position, von Elke Wendrich etwa: "Ich bin maßlos enttäuscht. Der Architekt sagt, er nimmt sich zurück, aber das sehe ich nicht so. Schloss Nymphenburg, diese erstklassige Anlage, wird nicht wirklich geschätzt, sondern von Biotopia für seine Zwecke benutzt." Wie sehr vielen Menschen die barocke Schlossanlage, und was dort passieren wird, am Herzen liegt, beweist der Zulauf zur Präsentation und Diskussion am Montagabend. Weil etwa 200 Zuhörer, viele aus der Nachbarschaft, gekommen waren, musste die Veranstaltung ganz kurzfristig vom kleinen Vortragssaal des Museums Mensch und Natur in den Hubertussaal verlegt werden.
Seit knapp zehn Monaten bewegt der ehrgeizige Museumsneubau die Gemüter im Viertel, seit die Neuhauserin Wendrich und der Kunstgeschichte-Student Neven Denhauser in der Bürgerversammlung den Fassadenentwurf des Berliner Architekturbüros Staab aus dem Wettbewerb an die Wand projizierten. Der Schock war groß über die wuchtige, fensterlose Fassade und den großen, gleich als "Fischmaul" geschmähten Torbogen zum Innenhof. Wendrich und Denhauser schürten das Feuer mit regelmäßigen Aktionen - Führungen, Diskussionen und einer Petition an den Landtag - kontinuierlich, vernetzten sich auch mit der Initiative Denkmalnetz Bayern und dem Münchner Forum. Schließlich schaltete sich der Bezirksausschuss ein und forderte passendere Materialien und Proportionen.
Die Biotopia-Vertreter betonten stets, die im Wettbewerb präsentierte Fassade, ohnehin eine wenig aussagekräftige Schwarz-Weiß-Skizze, werde noch ausgearbeitet und müsse vor allem dem inhaltlichen Masterplan, dem Geschehen im Inneren des Museums, angepasst werden. In der Tat sieht Staabs überarbeite Planung, immer noch ein Vorentwurf, deutlich anders aus als die das große Entsetzen auslösende erste Visualisierung. Der Torbogen fällt kleiner aus, im Erdgeschoss gibt es hohe Fenster. Er werde auch prüfen, ob im Obergeschoss noch "an manchen Stellen" Fenster möglich seien, griff Volker Staab die Aussage des Biotopia-Gründungsdirektors Michael John Gorman auf, auch dort im Ausstellungsbereich gebe es das ein oder andere Mitmach-Labor, das Tageslicht vertrage. Auch sein Team, betonte Staab, sei über die "Fensterlosigkeit", eine Vorgabe in der Ausschreibung zum Wettbewerb, nie recht glücklich gewesen.
"Diese Version gefällt mir deutlich besser", kommentierte Asko Hochdorn, der Denkmalschutzbeauftragte des Neuhauser Bezirksausschusses, Staabs Vortrag. Auch der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper - der Freistaat ist Bauherr des Museums - fand, man sei "auf einem guten Weg". Die ersten Wortmeldungen aus dem Publikum zeugten von einer völlig anderen Einschätzung. Eine Frau verstieg sich zu der Bemerkung, diese Architektur passe "zu einer KZ-Gedenkstätte". Eine andere befürchtete, beim Abbruch des alten Uni-Instituts für Genetik, auf dessen Areal der Neubau entsteht, werde womöglich "ein Teil des Schlosses gleich mit weggesprengt". Eine Anwohnerin, oft auch als Gästeführerin am Schloss unterwegs, sah vor allem die Symmetrie der weitläufigen Anlage bedroht, von der "hier alles lebt". Ein anderer Nymphenburger, selbst Architekt, fand, der Neubau sei immer noch zu effektheischend, "anstatt sich dem historischen Ensemble zu unterwerfen". Volker Staab widersprach. Biotopia werde sich, so seine Intention, "ganz selbstverständlich" in den Bestand einfügen und eben nicht in den Vordergrund drängen.
Neven Denhauser schlug einen Kompromiss vor: An der Ostseite, zur Maria-Ward-Straße hin, "behalten wir das Schloss", will heißen, soll der Neubau aussehen wie die "Schwaige", sein Gebäude-Pendant am Ende des südlichen Flügels. Und an der Nordfassade, um die Ecke, könne der Architekt "die eigene Haltung zeigen". Staab schüttelte den Kopf: "Man muss das als Ganzes begreifen und kann nicht ein paar Meter lang so tun, als sei man im 17. Jahrhundert." Auch Generalkonservator Mathias Pfeil vom Landesamt für Denkmalpflege hielt das für eine nicht mehr zeitgemäße Auffassung von Denkmalschutz.
Nach der ersten positiven Reaktion meldeten sich noch mehr Leute aus der bis dahin schweigenden Mehrheit mit Lob zu Wort. Biotopia sei "eine Riesenchance, und hier sieht man nur Bedenkenträger und Bremser. Kompliment für Ihr Durchhaltevermögen!", rief eine Frau den Museums-Vertretern zu. Großer Applaus. Für Ulrike Rehwagen, Leiterin des Biotopia-Aufbaustabs, ist es nicht überraschend, dass ein Projekt dieser Größe und an solch einem sensiblen Standort hohe Aufmerksamkeit und auch Kritik weckt. Das müsse man ernst nehmen, offensiv und transparent damit umgehen, hatte sie schon vor Monaten erklärt. Peter Loibl, Mitglied im Bezirksausschuss, ist sich jedoch nicht ganz sicher, ob ohne den Druck aus Bevölkerung und Bezirksausschuss soviel Bewegung und Öffentlichkeit in die Sache gekommen wäre. Von 41 Stadtviertelpolitikern waren übrigens an diesem Abend nur sechs im Hubertussaal erschienen. Es wird aber nicht die letzte Gelegenheit zum Diskutieren gewesen sein. "Der Dialog wird fortgesetzt", versprach Gründungsdirektor Michael John Gorman.