Arbeitskampf:Geschlossene OP-Säle, ungeleerte Mülltonnen

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Am Streik im öffentlichen Dienst nehmen etwa 7500 Beschäftigte teil, was in München unter anderem Kliniken, Müllabfuhr und Kindertagesstätten betrifft

Von Heiner Effern

Die zwei in Silber gekleideten jungen Frauen, die in ihren Kostümen einer Kreuzung aus einem Ritterfräulein und einem Roboter ähneln, haben sich ihre empörte Botschaft auf die Rüstung gemalt. "Wir sind doch keine Maschine" steht dort. Weiter hinten im Demonstrationszug ist die Kleiderordnung weniger kreativ - weiße Plastiküberwürfe mit rotem Verdi-Aufdruck dominieren-, doch der Ärger über die öffentlichen Arbeitgeber ist genauso groß. "Anerkennung heißt: Mehr Geld und mehr Personal" heißt es auf einem Banner. Erzieherinnen und Krankenschwestern, Müllmänner und Bibliotheksangestellte, Bäder- und Theatermitarbeiter, sie alle streiken und demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne.

Viele Teilnehmer waren auch kreativ verkleidet. (Foto: Robert Haas)

Etwa 7500 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sind dafür nach Angaben der Gewerkschaft Verdi aus ganz Südbayern gekommen und ziehen durch die Münchner Innenstadt zum Marienplatz. Sie wollen ein Zeichen setzen für die nächsten Verhandlungen in Potsdam am 15. und 16. April. Norbert Flach, Vizechef von Verdi in Bayern, spricht ihnen von der Bühne herunter aus der Seele. "Es ist unanständig, von den Beschäftigten einerseits gute und engagierte Dienstleistungen zu erwarten und sie andererseits so schlecht zu bezahlen, dass sie kaum ihren Lebensunterhalt bezahlen können."

Erzieherinnen und Krankenschwestern, Müllmänner und Bibliotheksangestellte, Bäder- und Theatermitarbeiter, sie alle streiken und demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. (Foto: Robert Haas)

Sechs Prozent mehr Lohn fordern die Beschäftigten, mindestens aber 200 Euro. Dafür streikt auch Krankenschwester Iris Peternell aus dem städtischen Klinikum Bogenhausen. "Bessere Bezahlung, gerade in einer Stadt wie München" will sie erreichen. Doch auch die Arbeitsbedingungen müssten sich dramatisch ändern, sagt die Krankenschwester . "Wenn man nachts alleine eine 42-Betten-Station betreuen muss, dann ist das fahrlässig."

Mit Peternell sind etwa 70 Beschäftigte alleine aus dem Krankenhaus Bogenhausen zur Demo gekommen. Das städtische Klinikum mit seinen fünf Häusern lässt die Frage nach der Streikbeteiligung insgesamt und den Folgen unbeantwortet. "Die Patientenversorgung und insbesondere die Notfallversorgung wurde durch klinikinterne Regelungen durchgängig sichergestellt", heißt es nur in einer Mitteilung. Die Gewerkschaft Verdi meldet, dass im Klinikum Bogenhausen "sechs OP-Säle und im Klinikum Neuperlach vier OP-Säle streikbedingt geschlossen" seien. Weiter seien nur jede zehnte Mülltonne geleert, die Abendvorstellung in den Kammerspielen abgesagt und vier städtische Hallenbäder gar nicht erst geöffnet worden. Dazu hätten mehr als die Hälfte der städtischen Kindertageseinrichtungen gestreikt, schreibt der Münchner Verdi-Chef Heinrich Birner.

Die Teilnehmer des Streiks zogen am Dienstag mit ihren Botschaften durch die Münchner Innenstadt zum Marienplatz. (Foto: Robert Haas)

Im Bildungsreferat gehen die Streikmeldungen am Dienstagnachmittag erst ein. Knapp 200 der insgesamt 430 Kitas der Stadt seien aktuell geschlossen, sagt ein Sprecher. Man könne die endgültige Zahl erst nach Streikende absehen. Doch nicht nur in der Stadt, auch im Umland müssen sich viele Eltern an diesem Dienstag selbst um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. In Schaftlach zum Beispiel bleiben die Türen der Kita zu, weil das komplette Team vom DGB-Haus an der Schwanthalerstraße zum Marienplatz zieht. Mit 61 Jahren kämpfe sie weniger um die eigene Zukunft als um die ihrer jungen Kolleginnen, sagt Erzieherin Erika Sixt. "Bildung ist mehr wert" steht hier auf vielen weiß-roten Verdi-Plastikumhängen, die über die Kleider gestreift worden sind. "Wir brauchen mehr qualifizierte Kolleginnen, die ihrer Arbeit entsprechend bezahlt werden." Auch im Ballungsraum reichten die Löhne der Erzieherinnen kaum für die Mieten.

Nicht nur auf dem Marienplatz, auch am Münchner Flughafen wird gestreikt. Vom Boden- und Sicherheitspersonal hätten 500 Beschäftigte die Arbeit niedergelegt, erklärte Verdi. Etwa 400 der insgesamt 1200 geplanten Flüge seien abgesagt worden, sagt ein Flughafen-Sprecher. Die Passagiere seien gewarnt gewesen, die Stimmung sei ruhig. Dafür flammt am Marienplatz Zorn über die für die Sicherheitskontrollen zuständige Firma MSG auf. Diese habe Prämien für Streikbrecher ausgelobt, ärgert sich Verdi-Mann Birner. Für die beiden Geschäftsführer fordert er ebenfalls veränderte Arbeitsbedingungen: Der Freistaat als Eigentümer solle die Manager rauswerfen.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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