Funkkaserne:Die Schaffung der Ankerzentren war ein Fehler

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Dass die Regierung von Oberbayern die Zustände für die Asylbewerber in der Funkkaserne verbessern will, ist löblich. Das grundsätzliche Problem aber wird so nicht gelöst.

Kommentar von Thomas Anlauf

Allein schon die Wortschöpfung ist purer Zynismus: "Ankerzentrum" klingt nach sicherem Hafen am Ende einer Odyssee, nach Halt und Geborgenheit. Doch der Begriff "Anker" bezeichnet das Gegenteil: Ankommen, Entscheidung, Rückführung. Tausende Geflüchtete hoffen in diesen mit Tarnnamen versehenen Lagern viele Monate lang darauf, dass sie endlich in einem sicheren Hafen ankommen. Dabei sind es lediglich Verwahrorte, bis die Entscheidung gefällt ist, ob diese Menschen hier in diesem vor Verfolgung weitgehend sicheren Land bleiben dürfen oder dorthin zurückgeschickt werden, woher sie geflohen sind.

Diese "Ankerzentren" sollten eigentlich die Verfahren beschleunigen, doch das Gegenteil ist der Fall, wie nun aus der Münchner Funkkaserne bekannt wurde. Dort hausen Asylbewerber oftmals weit länger als ein Jahr auf engstem Raum, Familien mit kleinen Kindern müssen sich mit fremden Menschen ein Zimmer teilen. Und das in einem Dauerzustand der Hoffnungslosigkeit, in der die Menschen zur Untätigkeit verdammt sind, weil sie nicht arbeiten dürfen. Viele Kinder können überhaupt keine sozialen Kontakte zu der Welt außerhalb der Kaserne knüpfen, können keine Freunde in dem neuen Land finden. Mit Humanität hat diese Form der Kasernierung nicht viel zu tun.

Flüchtlinge in der Funkkaserne
:"Dort herrschen Bedingungen, dass es der Sau graust"

Die Unterbringung von Flüchtlingen in der Funkkaserne sorgte für Kritik und Protest. Im Münchner Stadtrat diskutieren die Fraktionen nun, wie sie auf die Zustände reagieren können.

Von Thomas Anlauf

Es ist bezeichnend, dass sogar in einer vergleichsweise kleinen Einrichtung wie der Funkkaserne derart problematische Zustände herrschen. Über viele Monate wurde hingenommen, dass Menschen unwürdig untergebracht sind, schließlich drang davon zunächst nichts an die Öffentlichkeit. Erst nach einem SZ-Bericht räumt die Regierung von Oberbayern ein: "Die Lage in der Unterkunfts-Dependance muss verbessert werden." Wie viel letztlich an der Situation der Geflüchteten tatsächlich verbessert wird, muss abgewartet werden. Die hektische Reaktion der Regierung zeigt aber eines deutlich: Die sogenannten "Ankerzentren" funktionieren nicht. Die Menschen bleiben oft unerträglich lange in diesen Lagern, auch traumatisierte Kinder und Eltern. Für das Wohl der Kinder in der Funkkaserne ist das Stadtjugendamt zuständig, und dieses Wohl der Kinder ist akut gefährdet, sagen Experten. Das Jugendamt muss endlich handeln und zumindest die traumatisierten Kinder und Eltern dort herausholen. Und der Staat muss einsehen, dass die Schaffung der "Ankerzentren" eine Fehlentscheidung war. Diese Lager müssen geschlossen werden.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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