Anita-Augspurg-Preisverleihung:Ein Abend für Frauen, gegen Gewalt

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Bürgermeisterin Verena Dietl (rechts) umarmt Lydia Dietrich, Geschäftsführerin der Frauen*hilfe München. (Foto: Florian Peljak)

Die Frauen*hilfe München wird bei einem Festakt im Alten Rathaus ausgezeichnet. Bei der Verleihung ist die Stimmung locker, trotz des so ernsten Themas.

Von Stefanie Witterauf

Der Abend beginnt mit einer Umarmung. Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) hält Preisträgerin Lydia Dietrich erst noch einen langen Moment lang im Arm, bevor die Verleihung des Anita-Augspurg-Preises am Dienstagabend beginnt. Ausgezeichnet wird die gemeinnützige Frauen*hilfe München für ihre Arbeit seit 45 Jahren für Frauen und gegen Gewalt. Im Saal des Alten Rathaus stehen auf der Bühne drei opulente Blumensträuße. Arrangements in Waldbeerenfarbe. Vor der Bühne sind die Stuhlreihen fast lückenlos besetzt, etwa 380 Gäste sind der Einladung gefolgt. Die meisten sind Frauen.

Seit 1994 vergibt die Stadt den Preis, der seit 2019 auch mit 10 000 Euro dotiert und nach einer Münchnerin benannt ist. Anita Augspurg als Pionierin des Feminismus verkörperte schon im 19. Jahrhundert Werte, für die sich Frauenrechtlerinnen bis in die Gegenwart einsetzen. Doch auch heute bietet laut einer Studie der Weltbank kein Land der Welt Frauen die gleichen Chancen wie Männern. Nicht mal in den wohlhabendsten Ländern. Frauen in Deutschland haben im vergangenen Jahr laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik durchschnittlich 18 Prozent weniger verdient als Männer. In Bayern sind es sogar 21 Prozent. "Ein Trauerspiel", sagt SPD-Stadträtin Micky Wenngatz.

"Highlight des Jahres"

Dabei sei Gleichberechtigung ein Menschenrecht und im Grundgesetz verankert, sagt Wenngatz weiter. Die SPD-Politikerin leitet die städtische Kommission zur Gleichstellung und hat als Teil der Jury die Frauen*hilfe München als Preisträgerin mit ausgewählt. Der Festakt sei das persönliche "Highlight des Jahres" für die 63-Jährige. Denn an dem Abend kämen viele tatkräftige und engagierte Frauen zusammen. Dabei schaut sie durch die Sitzreihen und sagt: "Das schlägt jede Oscar-Nacht."

Wenngatz spricht in ihrer Ansprache von den Frauen in Iran, in Afghanistan, von denen, die von der Hamas vergewaltigt und ermordet worden sind. "In München ist das Leben von Frauen anders. Sie können wählen, welche Schule sie besuchen, ihr Geld selbst verwalten, sogar wählen, dass sie nicht heiraten und keine Kinder kriegen." Aber auch in Deutschland versuche statistisch jeden Tag ein Mann, eine Frau umzubringen, warnt Wenngatz. "Jeden dritten Tag stirbt eine Frau an Gewalt. Das ist kein Familiendrama, sondern Mord. Das ist ein Femizid."

"Als wir anfingen, habe ich gedacht, dass wir in zehn Jahren keine Frauenhäuser mehr brauchen."

Viele der Frauen im Publikum gehören selbst Frauenrechtsorganisationen an. "Als wir anfingen, habe ich gedacht, dass wir in zehn Jahren keine Frauenhäuser mehr brauchen", sagt Marianne Breithaupt. Die 77-Jährige hat bis Ende der Neunzigerjahre für die Frauen*hilfe gearbeitet. "Aber es ist immer noch schlimm. Die Gewalt wächst sich nicht aus. Es kommen immer wieder Gewalttäter nach." Zu ihrer Zeit habe München das größte Frauenhaus in Deutschland gehabt, doch schon zu der Zeit war die Nachfrage größer als die Kapazität. Und passierte etwas, was Breithaupt noch heute Tränen in die Augen treibt. "Zwei Frauen sind damals tot gefunden worden. Dabei habe ich immer wieder gesagt: Bei mir stirbt keine."

Verena Dietl versucht am Ende den ganzen Abend einmal zusammenzufassen: "Leider muss ich hier die fröhliche Stimmung trüben, das heute mag eine Preisverleihung sein, daneben ist es ein Zeichen, was immer noch in unserer Gesellschaft schiefläuft." An diesem Abend werden Umarmungen ausgetauscht, wird Rote-Bete-Hummus-Häppchen verspeist, Obstsalat aus Schüsselchen gelöffelt. Die Stimmung ist vielleicht auch deshalb so fröhlich und angenehm, weil zu spüren ist, dass sich bei einer Sache alle einig sind: über die noch immer so große Ungleichheit. Es bleibt noch so viel zu tun.

Wer Gewalt in der Partnerschaft erlebt, kann die Frauen*hilfe München rund um die Uhr unter der Telefonnummer 089 35 48 30 erreichen.

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