Altstadt/Hasenbergl:Das Gute am Rand

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Bürger auf der Bühne: Hasenbergl-Begeisterte berichten in den Kammerspielen über die Vorzüge des Viertels. Auf dem Boden ist ein Umriss jener Skulptur aufgezeichnet, unter der die neue Zeitkapsel versenkt wurde. (Foto: Michael Hauffen)

Abschluss des "Zeitkapsel"-Projekts in den Kammerspielen

Von Simon Schramm, Altstadt/Hasenbergl

Nun, da mit dem Projekt "Zeitkapsel Hasenbergl" ein tiefer Eindruck eines Viertels entstanden ist, war es den Beteiligten am Donnerstagabend in den Kammerspielen doch wichtig, alles das festzuhalten, was das Hasenbergl alles nicht ist: zum Beispiel "keine No-Go-Area", wie Wolfgang Wenger sagte, der es wissen muss: War er doch mal Münchner Polizist und lebt seit seinem sechten Lebensjahr im Hasenbergl. Das Viertel ist auch "keine Großsiedlung wie die französischen Banlieues", so Andrea Urlberger, ihres Zeichens Stadtforscherin aus Paris, ebenfalls im Hasenbergl aufgewachsen. Ferner ist das Hasenbergl nach Überzeugung des Leipziger Stadtsoziolgen Walter Prigge "kein Ghetto, die sehen anders aus". Was ist das Viertel also?

"Das Hasenbergl ist ein Stadtteil der Lösungen und ein Vorbild für andere Stadtteile. Dort wurde zum Beispiel das erste Bildungslokal eröffnet", sagte Edith Wölfl, ehemalige Leiterin des Wichern-Zentrums. Anlass zu all diesen Einschätzungen war der Abschluss des "Zeitkapsel"-Projekts; etwa die Hälfte der 70 Menschen, die der Künstlerin Pia Lanzinger vom Viertel berichtet haben, traten im Theaterhaus vor Publikum auf; zuletzt sollte das Empfinden von innen noch auf die Perspektive von außen treffen. Lanzinger lud zur Diskussion mit Experten.

Einig waren sich die Diskutanten über das Erfordernis, sich fortwährend um ein Viertel zu kümmern. Dem soziologischen Evergreen, dass erst die Bewohner mit ihrer Praxis die Stadt zur Stadt machen, stimmte Hans Sedlmaier zu. Er ist als Mitbegründer des Bewohnerstammtisches Hasenbergl vor 26 Jahren ein Veteran aus dem Viertel: "Die Bewohner sind die Fachleute, die über den Stadtteil Bescheid wissen. Ich kenne kein Viertel, das so engagiert ist und wo sich 70 Menschen finden, die bei so einem Projekt mitmachen." Wenn Kümmerer, Einwohner und Stadt zusammenarbeiteten, "dann lässt sich das Schiff bewegen", sagte Sedlmaier.

Die Erwähnung des Stammtisches bewegte Kurator Jochen Becker zu der Anmerkung, dass es im Berliner Stadtteil Hellersdorf ein solches Forum für die Bevölkerung nicht gebe. Andererseits fragte Becker, der das Hasenbergl vormittags erkundet hatte: "Ist es zu ruhig im Hasenbergl, gibt es zu wenig Nischen?" Die Antwort des Ex-Polizisten Wolfgang Wenger: "Nein. Es gab Nischen, und es gibt sie heute noch."

© SZ vom 28.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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