Allach/Untermenzing:Von der Leine gelassen

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Für die einen Traum, für die andern Albtraum: Frei laufende Hunde in der Angerlohe. (Foto: Anton Brand/OH)

Befürworter und Gegner freilaufender Hunde in der Angerlohe geraten in der Sitzung des Bezirksausschusses aneinander. Das Biotop wird auf absehbare Zeit nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen

Von Ellen Draxel, Allach/Untermenzing

Der Konflikt über Nutzung und Naturschutz in der Angerlohe ist weiter eskaliert. In der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses verlangten zwei Hundebesitzer im Rahmen der Bürgersprechstunde gehört zu werden, doch sie kamen nicht zu Wort. Zuvor war das Thema in die nichtöffentliche Sitzung verschoben worden, Gremium-Chefin Heike Kainz (CSU) ließ daraufhin keine Reden mehr zu. Ein 86-jähriger Allacher, der seit mehr als 50 Jahren im Viertel wohnt und immer einen Hund hatte, mit dem er in der Angerlohe spazieren ging, hatte sich eigens auf den Weg in die Manzostraße im Stadtteil Untermenzing gemacht, um vor den Lokalpolitikern zu sprechen. Zweierlei wollte er klarstellen: Zum einen, dass es nicht die Hunde seien, die für die Zerstörungen wie abgebrochene Zweige oder mutwillig entwurzelte Jungbäume im Landschaftsschutzgebiet verantwortlich zeichneten. Sondern "Menschen, die man leider nicht anleinen kann". Und zum anderen, dass in der Angerlohe keine Leinenpflicht besteht. Das hatte das Kreisverwaltungsreferat sowohl ihm als auch seinem ihm bis zur Sitzung unbekannten Mitstreiter in der Sache unabhängig voneinander bestätigt. Dass sie nicht gehört wurden, kritisieren beide Männer als undemokratisch. Auch Seniorenbeirat Klaus Trapp zeigte sich entrüstet: "Wenn ein älterer Herr etwas vortragen will, dann lasst ihn bitte."

BA-Chefin Kainz hingegen betont, sie habe mit ihrer Entscheidung vermeiden wollen, dass das Thema zum wiederholten Mal die Stimmung unkontrollierbar aufheize. "Ich bin jemand, dem die Mitsprache der Bürger als hohes Gut gilt. Und ich scheue auch keinen Disput." Aber man müsse nicht alles zum zehnten Mal wieder aufkochen. "Zudem ging es um persönliche Dinge. Und ich möchte einen Antragsteller nicht öffentlich zurechtweisen müssen."

Das Thema Leinenpflicht sei auch nicht im Streit zu lösen, sondern nur mit Respekt und Toleranz. Deshalb habe der Bezirksausschuss vor Monaten bereits einen Gebietsbetreuer für die Angerlohe gefordert. "Im Übrigen", meint die Stadträtin, "haben wir ganz andere Probleme." Es fehle an Wohnraum, die Schulen seien überfüllt, die Straßen ächzten unter der Verkehrslast. Und es gebe jede Menge Großbaustellen - um einige Punkte zu nennen.

Der Streit um die Nutzung der Angerlohe entbrannte im vergangenen Frühjahr, als der Bezirksausschuss auf Initiative der Grünen eine Leinenpflicht für das Landschaftsschutzgebiet beantragt hatte. Darüber hinaus bat das Gremium um Prüfung, unter welchen Bedingungen die Angerlohe in ein Naturschutzgebiet, wie es der Allacher Forst auf der anderen Seite des Rangierbahnhofs schon ist, umgewandelt werden könnte. Dies wiederum schreckte Anwohner auf, die die Angerlohe weiterhin als Freizeit- und Naherholungsgebiet ohne Gängeleien behalten wollen.

Zur Wehr setzten sich auch die Hundehalter - sie fühlten sich zunehmend diffamiert und verunglimpft, dass sie und ihre Tiere für die vielen Trampelpfade und das Verscheuchen von Bodenbrütern und Amphibien in den Biotopen verantwortlich sein sollten. Der Teufelskreis nahm seinen Lauf: Nun sahen sich die Grünen Unterstellungen ausgesetzt und konterten. Plötzlich ging es nicht mehr nur um Hundehaufen, sondern um "Beißattacken", deren angebliches Ausmaß die zuständige Polizeiinspektion in Moosach der SZ aber nicht bestätigte. Als eine Art Kompromiss beantragte das Stadtteilgremium im Sommer schließlich, ebenfalls auf Initiative der Grünen, einen Gebietsbetreuer für die Angerlohe einzusetzen. Die Wogen konnte das nicht glätten. Im Fokus stand jetzt Kainz: In einer der vergangenen Sitzungen warf ihr Grünen-Sprecher Falk Lamkewitz vor, gegen die Geschäftsordnung verstoßen zu haben, weil sie unter anderem einen Hundehalter habe zu Wort kommen lassen.

Die Leinenpflicht selbst ist dabei längst vom Tisch. Und auch mit einer Umwandlung der Angerlohe in ein Naturschutzgebiet wird es auf absehbare Zeit nichts werden, wie erst jüngst ein Regierungsvertreter beim runden Tisch zur Erstellung eines Managementplans zum Aufbau des europäischen Biotopverbundnetzes "Natura 2000" für beide Gebiete erklärte.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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