Allach/Untermenzing:Dafür und nicht dagegen

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Grundschul-Leiter Jörg Weinberger erläutert der Gruppe und Bürgermeisterin Verena Dietl (rote Maske) Probleme im Pausenhof. (Foto: USUS/Andreas Hesse)

Bei ihrem Besuch im Norden trifft Bürgermeisterin Verena Dietl eine Bürgerinitiative, die angesichts vieler gravierender Mängel eine bessere Ausstattung der Schulen im Viertel erreichen will

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

"Da haben die Hühner auf dem ,Erdbeerfeld' mehr Platz als die Kinder", sagt Andreas Hesse und blickt noch einmal auf das Foto des Raums für die Mittagsbetreuung in der städtischen Grundschule des Schulzentrums an der Pfarrer-Grimm-Straße 1. Ihm und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern Ellen Gerhardt-Wolf, Verena Rommel-Scholz und Michael Rosch von der Bürgerinitiative (BI) USUS ("Unser Stadtteil - Unsere Schulen. Für wohnortnahe Bildung in Allach-Untermenzing") ist schlicht unverständlich, dass bei der prekären Schulsituation mitten in einem stark wachsenden Stadtbezirk ein Acker aufrechterhalten werden soll. Und im Schulzentrum, statt sich der maroden Grundschule anzunehmen, das teuer sanierte Louise-Schroeder-Gymnasium auf viele Jahre an den Dreilingsweg nach Obermenzing verlagert werden soll. Und was die Idee eines Würmparks auf dem Acker angehe: Auch Bäume verhinderten Frischluftzufuhr, sagte Rommel-Scholz.

Die BI dagegen kämpft für einen Neubau der Realschule auf dem Sportgelände des SV Untermenzing, der dafür auf die Erdbeerwiese an der Weinschenkstraße zieht. Eine Variante, die die Stadt schon ein Stück weit geplant hatte, für die bereits ein positives Klimagutachten existiere und nicht neue Studien und Untersuchungen nötig wären, die Zeit kosteten, "die die Eltern nicht haben", sagte Rosch. Und sie fordern die schnelle Sanierung der Grundschule mit ihrem denkmalgeschützten Teil von 1890 und dem Anbau aus den 60er-Jahren.

Zuvor hatte die BI am Donnerstag bei einem Ortstermin mit Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), Schulleitern, Elternbeiräten und Vertretern des Bezirksausschusses alle drei Schulen auf dem Campus inspiziert. Zunächst sollte die Presse dabei sein, war auf Wunsch des Bürgermeister-Büros aber wieder ausgeladen worden, weshalb die BI am Abend eine Pressekonferenz nachschob.

Die Mängelliste ist lang: fehlende Räume für Religion, Musik und Werken, keine Aula für Veranstaltungen, Schimmel und Putzschäden im feuchten Keller, nicht nutzbare Räume wegen fehlender Fluchtwege, Ausfälle der Heizung im Winter, die im Sommer auf Hochtouren läuft, ein grundlegend defektes Kanalisationssystem, das auch zu starker Geruchsbelästigung führt, eine Turnhalle, die wegen Einsturzgefahr jederzeit gesperrt werden könne. Die Schwimmhalle, die gerade für das Abzeichen "Seepferdchen" reiche, habe zwar eine wunderbare Decke bekommen, darunter aber sei einiges sanierungsbedürftig. Die Carl-Spitzweg-Realschule sei zwar in gutem Zustand, doch werde ihr Alltag von Platzmangel geprägt. Daneben das Gymnasium, das für mehr als zehn Millionen Euro saniert worden sein soll.

Konkrete Zusagen habe Dietl nicht gemacht, aber betont, dass es noch keinen Beschluss gebe, man sich noch alles genau anschauen müsse und das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Der Strategiewechsel der Stadt hin zur Variante Dreilingsweg, um Platz für den Ausbau des Schulcampus zu haben, basiere darauf, die Erdbeerwiese freizuhalten, habe Dietl erklärt. Die Beweggründe dafür sind auch der BI nicht ganz klar. Sie vermutet, "dass einige wenige die Hebel in ihrem Sinn gestellt haben und damit versuchen, die Interessen Tausender Familien in Untermenzing, Obermenzing und Allach beiseitezuschieben", sagte Hesse. "In den Familien herrscht Ausnahmezustand", so Rosch. "Der Plan sei vorhanden, der Platz ist vorhanden, man muss es nur nutzen", sagte Hesse. "Es ist verständlich, dass die Stadtverwaltung ihre liebe Not hat, beim raschen Wachstum unseres Stadtteils mit der Infrastruktur nachzukommen. Aber das Ausmaß, in dem sie das nicht schafft, ist schon verblüffend. Und in dieser Situation soll ein Acker frei bleiben!"

Der Termin selbst sei ausgesprochen freundlich verlaufen. Es habe sich gezeigt, dass allen daran gelegen ist, eine gute Lösung zu finden, aber auch, dass es einen "unglaublich hohen Kommunikationsbedarf zwischen allen Beteiligten" gebe. "Es war keine politische Beruhigungspille mit dem Versuch zu relativieren, sondern es hat ernsthaftes Interesse gegeben", erzählte Rosch. Man sei vollkommen erstaunt gewesen, wie schnell der Termin zustande gekommen war, den Dietl spontan in der Bürgerversammlung angeboten hatte: innerhalb von einer Woche, zwei Tage nachdem sich die BI an Dietl gewandt hatte. Dieser sei es bei der Begehung auch sehr sympathisch gewesen, dass die BI für etwas kämpfe und nicht gegen etwas. Sie besteht beileibe nicht aus Einzelkämpfern: Ihre vergangenen Samstag eingestellte Online-Petition hatte in fünf Tagen bis Donnerstag fast 1100 Unterzeichner. Dietl habe zugesagt, in Kontakt zu bleiben, die BI wird sie beim Wort nehmen.

© SZ vom 07.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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