Abschied von Helmut Dietl:Mit Bernd nach Cannes

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Die letzte Klappe: Dietls Tochter Serafina schmückte den Sarg ihres Vaters mit einer Regieklappe aus seinem letzten Kinofilm "Zettl". (Foto: Robert Haas)

Helmut Dietl soll auf dem Bogenhauser Künstlerfriedhof seine letzte Ruhe finden. Dort liegt auch das Grab des Produzenten Bernd Eichinger. Eine posthume Geste der Versöhnung zwischen den zuletzt zerstrittenen Freunden.

Von Andreas Glas

Es schaut aus, als ob er lächelt, ganz leicht nur. Die Augen weit aufgerissen, eine Braue angehoben, die Stirn liegt in Falten. Das Bild ist schwarzweiß, steht auf einer hölzernen Staffelei, links daneben der weiße Sarg, überall Blumen, gelbe und weiße Blumen. Als die Trauerfeier losgeht, klingt aus den Lautsprechern die Titelmelodie zu "Kir Royal", und er hat sie alle wieder in seinem Bann.

Ende März ist Helmut Dietl gestorben, mit 70 Jahren. Zwei Wochen später sind etwa 200 Trauergäste gekommen, um in der Aussegnungshalle am Schwabinger Nordfriedhof Abschied zu nehmen. Seine Familie, seine engsten Freunde und Kollegen. In fünf Stuhlreihen sitzen die Gesichter aus Dietls Filmen und Serien: Senta Berger, Michaela May, Heiner Lauterbach, Uwe Ochsenknecht, Christine Kaufmann, Veronica Ferres. Manche verstecken ihre Augen hinter dunklen Sonnenbrillen, manche schauen ins Leere, manche lächeln.

Vorne, in der ersten Reihe: Dietls Witwe Tamara, sein Sohn David und seine Tochter Serafina. Sie hören, wie zuerst Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) und danach Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ihre Trauerreden halten. Spaenle, die Lesebrille tief auf der Nase, würdigt den Regisseur als "einen der größten Chronisten der Seele Bayerns" und sagt, er könne sich die Stadt München ohne die Geschichten und Figuren von Helmut Dietl nicht vorstellen: "Für Helmut Dietl waren München und Schwabing das, was für Woody Allen New York und Manhattan sind."

Dann tritt Reiter ans Pult, er wirkt tief berührt, bezeichnet Dietl "als Freund Münchens, wie ihn sich die Stadt nicht besser hätte wünschen können". Am Ende sagt Reiter: "Servus, Helmut Dietl, Du wirst uns fehlen." Dann geht er drei Schritte nach vorne, bleibt ein paar Sekunden vor dem großen Schwarz-Weiß-Foto stehen und verneigt sich. Danach beschreibt Giovanni di Lorenzo, wie schwer gerade die letzten Jahre für Dietl gewesen seien. Der Chefredakteur der Zeit erzählt, dass Dietl "brutal unter der Kritik und Häme gelitten" habe, die er für seinen letzten Film "Zettl" bekommen hatte. Und natürlich erzählt di Lorenzo von Dietls schwerer Krankheit.

Zwischen den Reden spielt Jakob Süskind auf einem weißen Boston-Flügel. Er ist der Sohn von Dietls kongenialem Partner, dem Drehbuchautor Patrick Süskind. Er spielt "Solveigs Lied" aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg und Franz Schuberts "Vier Impromptus für Klavier" (op. 90, D 899). Helmut Dietls Sohn David dankt Jakob Süskind ausdrücklich. "Das hätte meinem Vater sehr gefallen", sagt er, bevor er von den letzten Wochen berichtet, die er mit seinem Vater verbrachte und "in denen ich lernen durfte, was ein Sohn von seinem Vater lernen sollte".

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Kurz vor seinem Tod habe sein Vater ihm noch gezeigt, wie man sich richtig rasiere, gemeinsam seien sie vor dem Spiegel gestanden und irgendwann habe Helmut Dietl ihm geraten, sich doch auch einen Bart stehen zu lassen. "Des schaud guad aus, schau mich doch an", habe sein Vater zu ihm gesagt. Zwei Tage bevor er starb, habe sein Vater dann auch noch beschlossen, "mich in die Kunst des Schuhepolierens einzuweihen" - mit den Worten: "Nicht so zaghaft, Bua, da musst scho fester zulangen."

David Dietl sagt auch, dass es "kein Zufall" gewesen sei, dass die Trauerfeier am 11. April stattfinde und damit am 66. Geburtstag des vor vier Jahren verstorbenen Filmproduzenten Bernd Eichinger. Dieses Datum sei die Idee von Witwe Tamara gewesen, sagt David Dietl, er selbst sei anfangs nicht davon begeistert gewesen, schließlich waren Helmut Dietl und Bernd Eichinger einst enge Freunde, aber am Ende tief zerstritten. Irgendwann aber habe er eingesehen, "dass es genau im Sinne der beiden" sei, sagt David Dietl, und verrät, welche Verabredung sein Vater und Bernd Eichinger in den Achtzigerjahren getroffen haben: Dass sie am Ende ihrer beiden Leben "auf der Croisette in Cannes flanieren, übers Leben sinnieren und den jungen Frauen hinter herschauen".

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Nach Bernd Eichingers Tod habe sein Vater gewusst, dass daraus nichts mehr werde. Als er davon erzählte, sagt David Dietl, habe er geweint. Es sei das einzige Mal gewesen, dass er seinen Vater habe weinen sehen. Deshalb, sagt David Dietl, werde sein Vater "hoffentlich nicht die letzte Ruhe finden, sondern sich den Bernd packen, um mit ihm auf der Croisette zu flanieren und zu sinnieren".

"Wenn das nicht geht, dann will ich zum Bernd"

Auf dem Friedhof jedenfalls werden sich Dietl und Eichinger nahe sein. Eigentlich, sagt David Dietl, habe sein Vater gewollt, dass seine Asche auf dem Kleinhesseloher See im Englischen Garten verstreut werde. Als er eingesehen habe, dass das nicht erlaubt sei, habe Helmut Dietl gesagt: "Wenn das nicht geht, dann will ich zum Bernd." Wie Bernd Eichinger werde sein Vater also auf dem Künstlerfriedhof in Bogenhausen beigesetzt. Am Ende der Trauerfeier tritt Helmut Dietls zwölfjährige Tochter Serafina ans Mikrofon, im beigen Trenchcoat, auf dem Kopf ein großer, schwarzer Hut. Noch bevor sie auch nur ein Wort sagen kann, stockt ihr der Atem, sie versucht die Tränen wegzudrücken, aber sie schafft es nicht. "Lieber Papi", sagt sie irgendwann, "dies ist kein Abschiedsbrief".

Dann liest sie vor aus dem Brief, aber nur wenige Zeilen, der Rest "wäre zu traurig gewesen", sagt sie danach zu ihrem Bruder David, steckt den Abschiedsbrief in ein Kuvert, klebt ihn zu und legt ihn zum weißen Sarg, daneben stellt sie eine Regie-Klappe vom "Zettl"-Dreh und auf den Sarg drapiert sie einen weißen Schal. Den selben Schal, den Dietl auf dem großen Schwarz-Weiß-Foto trägt.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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