Abschied von Helmut Dietl:Ein letztes Mal nahe sein

Nach Angehörigen und Weggefährten verabschieden sich die Münchner von Helmut Dietl. Viele, die sich ins Kondolenzbuch eintragen, haben ihre ganz persönliche Beziehung zu dem Toten.

Von Andreas Glas

1 / 6
(Foto: dpa)

Das Lied läuft in Endlosschleife, es ist das Titellied aus "Kir Royal" und es ist der Soundtrack dieses Aprilsonntags, an dem die Münchner Abschied nehmen wollen von Regisseur Helmut Dietl. Immer und immer wieder beginnt das Lied von Neuem, immer und immer wieder betreten Menschen die Aussegnungshalle am Nordfriedhof. Sie gehen vorbei am weißen Sarg, an den Kränzen, den Kerzen und den Blumen und dann hinaus in Richtung Friedhof, wo unter den Arkaden zwei Kondolenzbücher aufliegen. Oder sie bleiben stehen wie der ältere Herr, der seinen Finger wie einen Taktstock durch die Luft schwingt und sich an der vertrauten Musik freut, die da aus den Lautsprechern hallt.

2 / 6
(Foto: Robert Haas)

Draußen, wo die Kondolenzbücher stehen, riecht es nach Frühling. Es ist kurz vor halb zwölf, als Luciano Saraceni einen Punkt hinter die Wörter setzt, die er in eines der Bücher geschrieben hat. Fragt man ihn, welche Erinnerung er mit Dietl verbindet, fasst sich Saraceni mit beiden Händen ans Herz und sagt nur ein Wort: "Rossini!" Damals, Mitte der Neunziger, habe er sich um eine kleine Rolle in Helmut Dietls Komödie "Rossini" beworben. Er wollte einen Kellner spielen, sei also zum Casting gegangen, und Dietl habe ihn tatsächlich genommen. Aber dann, sagt Saraceni, sei seine Tochter krank geworden und er musste die Dreharbeiten absagen. "Rossini habe ich mir dann im Sendlinger-Tor-Kino angeschaut und musste sehen, dass ein anderer meine Rolle gespielt hat. Das tut mir heute noch im Herzen weh", sagt Saraceni.

3 / 6
(Foto: Robert Haas)

Solche Geschichten hört man viele an diesem Sonntag am Nordfriedhof. Jeder hat seine eigene Erinnerung an Helmut Dietl, jeder verbindet andere Gefühle mit seinen Filmen und Serien. Die Münchner wollen ihm nah sein, ein letztes Mal. Das will auch Irene Biller, eine kleine Frau mit kurzen, grauen Haaren und buntem Halstuch. Sie erzählt, dass ihr Mann früher beim Fernsehen gearbeitet habe und sie deswegen wisse, dass der Dietl ganz anders gewesen als "die typischen Film- und Fernsehleut'", eben viel direkter und nicht so aufgesetzt. Sie wohne seit 50 Jahren in Schwabing, "da habe ich den Dietl und auch den Helmut Fischer immer wieder mal gesehen. Die haben ja alle in unmittelbarer Nähe von mir gewohnt". Erst neulich habe sie Dietl noch über die Hohenzollernstraße spazieren sehen, vielleicht vier Wochen sei das her. "Und dann ist es halt irgendwann vorbei, das ist der Lauf der Zeit", sagt Irene Biller. Im Bild: Eine Münchnerin schreibt in das Kondolenzbuch für Helmut Dietl.

4 / 6
(Foto: Robert Haas)

Wolfgang Maier hat seinen ganz persönlichen Dietl-Moment in eine Klarsichtmappe gepackt, er will nicht, dass die Erinnerung Flecken bekommt. Er hat die Mappe mit zum Friedhof gebracht, darin ist ein Foto einer Kir-Royal-Szene. "Dritte Folge", sagt Maier und deutet auf den Kellner, der auf dem Foto neben Mona und Baby Schimmerlos steht. "Das bin ich", sagt Maier. Text habe er keinen gehabt, aber "ich habe mit Dietl gearbeitet", das könne ja nicht jeder von sich behaupten. Die dritte Kir-Royal-Folge ist jene, in der Mona im "Marines Look" gekleidet ist und sich die Haare raspelkurz schneiden lässt. Baby Schimmerlos erschrickt darüber so sehr, dass er im Restaurant "Aubergine" über den Servierwagen fällt. "Ich kam dann zum Tisch und habe ihm das Revers sauber gemacht", erinnert sich Wolfgang Maier, "das war meine Aufgabe", das war sein Dietl-Moment.

5 / 6
(Foto: dpa)

Freilich, nicht alle, die zum Nordfriedhof gekommen sind, haben Helmut Dietl persönlich gekannt. Die meisten kannten ihn nur aus dem Fernsehen, kannten eben seine Filme und seine Figuren. Und trotzdem sind es sehr persönliche Widmungen, die sie in die Kondolenzbücher schreiben. "Ein Stück München ist gegangen, aber Du wirst immer in unseren Herzen weiterleben", schreibt ein älterer Herr, eine Frau schreibt: "Überall sind Spuren deines Lebens. Wir werden uns immer an dich erinnern." Und "ein alter Mit-Abiturient" von Dietl dankt ihm mit den Worten: "Du hast unser Leben schöner gemacht! Das ,alte' München weint um dich." Im Bild: Bereits am Samstag haben Freunde und Weggefährten bei einer Trauerfeier am Nordfriedhof Abschied von Dietl genommen. Unter den Trauergästen waren viele Schauspieler - etwa Uwe Ochsenknecht (links) und Heiner Lauterbach, hier im Gespräch mit Witwe Tamara Dietl.

6 / 6
(Foto: Ursula Düren/dpa)

Karin und Wolfgang Henneberger weinen nicht. Sie stehen in der Sonne und lachen sich kaputt, weil ihnen gerade ein lustiger Dialog nach dem anderen einfällt, den Dietl für seine Serien geschrieben hat. "Er lebt durch diese kleinen Sprüche weiter, er hat da wirklich Meilensteine gesetzt", sagt Wolfgang Henneberger. Dann geht seine Frau zum Kondolenzbuch und trägt sich ein. Sie schreibt nur drei Wörter: "Danke, danke, danke." Im Bild: Dielts frühere Lebensgefährtin Veronica Ferres verlässt am Samstag die Aussegnungshalle an der Seite von Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der "Zeit".

© SZ.de/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: