Abfall:Das Olympiadorf verliert seine Müllschlucker

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  • 6000 Bewohner des Olympiadorfs konnten bis September ihren Müll recht einfach loswerden: Auf jeder Etage gibt es einen Schacht eines Rohrsystems, welches den Müll sammelt.
  • Weil die Anlage ständig verstopfte, waren die Kosten sehr hoch. Deshalb stehen nun Müllcontainer vor den Häusern.
  • Nun muss geplant werden, wie die Müllsammelanlage zurückgebaut werden kann.

Von Ulrike Steinbacher, Olympiadorf

Es ist aus. Aus und vorbei. An der Stimme von Herbert Hantelmann ist zu hören, wie leid ihm das tut. Aber die Müllsammelanlage im Olympiadorf ist nach 45 Jahren Betrieb nicht zu retten. Deswegen hat die Gesellschafterversammlung der Olympiadorf-Betrieb-Beteiligungs-GmbH (ODBG) ihren Geschäftsführer beauftragt, die endgültige Stilllegung vorzubereiten. Eine andere Lösung gibt es nicht. "Man kann's vorwärts und rückwärts überlegen", seufzt Hantelmann.

Genau genommen kam das Aus schon vergangenen September. Da ging die Anlage in die Knie, die den Hausmüll von 6000 Menschen über ein drei Kilometer langes, weitverzweigtes Rohrsystem in eine große Halle saugt, wo er dann in Container gepresst und mit Müllwagen weggefahren wird. Wenn die Bewohner aber Sperrmüll in die Abfallschächte ihrer Häuser werfen, Tastaturen, Fahrradkörbe, Verpackungskartons, Teppiche, dann verkeilt sich die Masse in den engen Kurven des Systems, die Rohre verstopfen. Sie wieder freizuräumen, ist ziemlich aufwendig, denn sie sind zu eng, um einen Menschen hineinzuschicken und die Zugangsöffnungen liegen 60 Meter voneinander entfernt, sodass Haken und lange Stangen nicht viel nützen. Also griffen die Arbeiter regelmäßig zum Hochdruck-Wasserstrahler - im Durchschnitt dreimal die Woche. Pro Verstopfung kostete dessen Einsatz laut ODBG-Infoblatt 6000 bis 12 000 Euro.

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An jenem September-Sonntag war aber alles noch schlimmer: Es steckten gleich an fünf verschiedenen, meist unzugänglichen Stellen Müll-Pfropfen in den Rohren. Hantelmann blieb nichts anderes übrig, als das System außer Betrieb zu setzen und beim Abfallwirtschaftsbetrieb München 72 Müllcontainer zu bestellen, einen für jeden Hauseingang. Seitdem müssen die Dorfbewohner ihre Abfalltüten vors Haus tragen - meist murrend, war doch der Einwurfschacht auf jeder Etage viel bequemer.

Doch die alte Müllanlage wird nicht mehr eingeschaltet. Hantelmann ist jetzt beauftragt, einen Plan für die dauerhafte Stilllegung auszuarbeiten. "Das wird Jahre dauern", prophezeit er. Die endgültige Entscheidung treffen dann die Gesellschafter. Erst einmal muss er aber zum Beispiel herausfinden, ob es sinnvoller ist, die unterirdischen Leitungen mit einem Sand-Schlamm-Gemisch aufzufüllen oder sie auszugraben und dabei womöglich die Wurzeln der Ahornbäume zu beschädigen, die vielerorts entlang der Leitungen wachsen. Einfach so in einem Meter Tiefe im Boden lassen kann man die Rohre aber nicht auf die Dauer. Rost und Erddruck würde sie irgendwann zusammenbrechen lassen, das darüberliegende Erdreich dann absacken. Weil die Leitungen auch unter den unterirdischen Straßen des Olympiadorfs verlaufen, könnte es dort zu Rissen in den Fahrbahndecken kommen.

Zu klären ist auch, was mit der Müllzentrale geschieht. Um die schweren Industriepressen aus der Halle zu räumen, müsse man das Dach öffnen, sagt Hantelmann. Und da habe der Denkmalschutz mitzureden, schließlich gilt für das Olympiadorf Ensembleschutz. Dann ist da die juristische Seite: Die Anlage und die Verpflichtung, sie in Betrieb zu halten, sind in der Grundlagenvereinbarung erwähnt, es könnte also durchaus jemand gegen die dauerhafte Stilllegung klagen. Denn bezahlen müssen dafür die Dörfler. Die Kosten - mindestens zwei Millionen Euro - werden auf die 3100 Haushalte umgelegt.

Eine Reparatur der alten oder der Kauf einer neuen Müllsauganlage wäre aber um ein Vielfaches teurer. Und trotz der horrenden Kosten von zwölf bis 14 Millionen Euro könne niemand garantieren, sagt Hantelmann, dass nach kurzer Zeit nicht wieder alles verstopft wäre. Zwar wüssten die meisten Eigentümer und Mieter inzwischen, dass der Müllsauger nicht jeden Abfall schluckt. Aber dann seien da die Putzfrauen in den Arztpraxen, die früher Giftstoffe und ganze Wasserbehälter eingeworfen hätten, die Handwerker, die alte Badfliesen entsorgten, die Pflegedienst-Mitarbeiter, die Windeln und Urinbeutel in den Schacht stopften, und die Verwandten, die bei Haushaltsauflösungen Geschirr und Bücher loswurden. "Das sind K.o.-Kriterien, die eine Wiederinbetriebnahme unmöglich machen", stellt Hantelmann fest.

Stattdessen bleibt es bei den ungeliebten Containern, die aber künftig nicht mehr von den lauten Dieselautos der Müllabfuhr abgeholt werden, sondern vom Elektromobil der ODBG. Die Arbeiter kuppeln die Behälter an, ziehen sie zu zentralen Sammelplätzen am Wertstoffhof und den Wendehämmern der drei Wohnstraßen und füllen sie dort in die Müllautos um. Die Kosten dafür liegen bei 46 500 Euro im Monat, etwas weniger als die Entsorgung mit der Sauganlage, die auf knapp 48 000 Euro kam.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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