Haus der Kunst in München:Das Traumschiff des Führers

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Der Architekt Paul Ludwig Troost sollte Adolf Hitlers Machtwillen Ausdruck verleihen. Herausgekommen ist das Haus der Kunst am Englischen Garten. Es ist ein schweres Erbe.

Von Kia Vahland

Endlich hatte er ihn gefunden: seinen Meister. Adolf Hitler sprühte vor Glück, als er 1930 in der besseren Münchner Gesellschaft den Architekten Paul Ludwig Troost kennenlernte. Seine eigenen Bauzeichnungen erschienen Hitler nun nichtig, wie ein Zeitzeuge sagt. Troost, ein Schiffsdesigner und Neoklassizist mit Hang zur Übergröße, sollte Hitlers Machtwillen ein steinernes Gewand geben und alles bisher Dagewesene übertrumpfen.

Der erste Monumentalbau der Nazis entstand von 1933 an in München, es war das "Haus der Deutschen Kunst". Zwei Jahre zuvor war das moderne Ausstellungshaus im Glaspalast am Botanischen Garten abgebrannt. Seither stritt München, wo und wie die neuere Kunst zu sehen sein sollte. Hitler beendete die Debatte mit einem Gewaltakt: Troost sollte einen steinernen Riegel in den Englischen Garten wuchten.

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Hätte nicht der Baumeister selbst Bedenken geäußert, wäre noch mehr von dem Park zerstört worden. Nach Troosts Tod am 21. Januar 1934 wurde der Bau noch wuchtiger ausgeführt, als der Architekt sich das vorgestellt hatte. Dank hoher Spenden aus der Industrie konnten Troosts Nachfolger die besten Materialien verwenden. Sie nutzten Stahl, Eisen, Beton - und versteckten diese Baustoffe der Moderne hinter altmodischem Donaukalkstein und Marmor.

Am 18. Juli 1937 wurde das Haus der Deutschen Kunst eingeweiht. In den hohen Sälen waren muskelbepackte Herrenmenschen, züchtige Blondinen, der heimische Wald und Hitlers Porträt zu erleben. So sah sie aus, die neue deutsche Bilderwelt. Heroisch, national, unverwundbar.

In seiner Eröffnungsrede kündigte Hitler einen "Säuberungskrieg" gegen "Kulturzersetzung" an. Der begann am nächsten Tag. Nicht im säulenbewehrten Tempel von Troost, sondern in den Arkaden des Hofgartens. Dort hingen die Werke der Avantgarden, welche die Nazis in den Museen beschlagnahmt hatten. Sie wurden mit Wandversen verspottet, ihre Schöpfer für verrückt und verdorben erklärt. Hitlers Feldzug gegen die "entartete Kunst" nahm ihren Lauf. Das war das vorläufige Ende der offenen Gesellschaft.

Jahr um Jahr pilgerten nun Hunderttausende nach München zu den NS-Schauen im Haus der Deutschen Kunst. Von den gedeckten Restauranttischen auf der Terrasse bot sich ein traumhafter Blick in den Englischen Garten. Als Ort der Erholung und Erbauung war der Paradebau der Nazis eine Massenattraktion. Und die deutschen Museumschefs deckten sich hier mit frischer Ware ein.

Das Haus überstand die Bomben der Alliierten. Also blieb ein Problem: Was tun mit dem Koloss? Provisorisch zogen nach dem Krieg Teile der Staatsgemäldesammlung ein, bald gab es zudem einen eigenen Ausstellungsbetrieb. Die von den Nazis vertriebenen Künstler der Moderne zeigten ihre Werke. Mit ihren Leinwänden und Bronzen und ihrer Fantasie sollten sie den totalitären Geist aus den Hallen vertreiben.

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Schon in den Fünfzigerjahren schmiedeten Architekten Umbaupläne. Doch die Bayern entschieden sich für bescheidene Lösungen. Wände wurden geweißelt, Pfeiler verschalt, die Stufen der vorderen Prachttreppe abgetragen. Bäume verdeckten nun die überdimensionale Fassade. Vor den Olympischen Spielen 1972 wurden neue Bäume gepflanzt, zudem bohrte sich jetzt ein Autotunnel direkt vor dem Eingang in die Straße. Leicht und modern fühlte sich München. Die internationalen Besucher sollten das lichte neue Stadion von Günter Behnisch bewundern, nicht die dicken Mauern der Nazis.

Als das Haus der Kunst in den späten Achtzigerjahren saniert werden musste, flammte die Diskussion wieder auf. Die Süddeutsche Zeitung führte eine leidenschaftliche Debatte: Die Meinungen reichten vom Abriss über einen Anbau bis zum Erhalt. Schließlich waren es die Direktoren des Hauses, die einen kritischen Rückbau im Inneren betrieben, die NS-Geschichte erforschen ließen und Künstler baten, die Fassade zu verwandeln. Jetzt muss wieder saniert werden.

Nun wünschen sich der aktuelle Direktor Okwui Enwezor, Kultusminister Ludwig Spaenle und der Architekt David Chipperfield einen radikalen Rückbau in den Urzustand mit wenigen Abweichungen; so soll die frühere Milchglasdecke durch Fensterglas ersetzt werden und ein Flügel Veranstaltungen dienen. Die Bäume an der Front und hinten aber sollen verschwinden, es soll wieder ein großes Restaurant geben und die mittlere "Ehrenhalle", in der Hitler sprach, soll wieder Empfangsraum sein. Aber was wollen die Münchner? Die Debatte ist eröffnet.

© SZ vom 10.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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