Feldmoching/Ismaning:Der Bauer als Buhmann

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Landwirte sehen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Von Bernhard Lohr, Feldmoching/Ismaning

Vor fünf, sechs Jahren war es noch anders. Damals klagten die Landwirte über niedrige Milchpreise, manche kippten aus Protest das kostbare Lebensmittel auf die Straßen. Ganze Tankfahrzeuge leerten sie, weil ihnen als Produzenten vom Erlös kaum noch etwas blieb. Die Milchpreise haben sich seitdem stabilisiert. Die Stimmung unter den Landwirten ging jedoch seitdem erst richtig in den Keller. Denn zum Ärger gesellte sich ein Gefühl der Ohnmacht. Die Bauern sehen sich als Buhmänner, die für fast alles verantwortlich gemacht werden: Glyphosat, Bienensterben und Nitrat im Grundwasser. "Wir kommen aus der Schusslinie nicht mehr heraus", sagt ihr Kreisobmann Anton Stürzer.

Die Nerven liegen bei einem gesamten Berufsstand blank. Als Stürzer seine Leute zu Regional-Versammlungen in Ismaning, Siegertsbrunn und Feldmoching zusammenrief, blickte er in viele zornige und deprimierte Gesichter. Die angespannte Gemütslage spiegelte sich in Stürzers Reden wider. "Die Motivation hat sich brutal geändert", sagt er im Gespräch mit der SZ. Die Lage sei deprimierend. Stürzer prangert in scharfen Worten eine gesellschaftliche Entwicklung an, die den Bauern die Existenzgrundlage raube. 1960 seien noch 46 Prozent der Wertschöpfung eines Lebensmittels beim Landwirt angekommen, heute seien es gerade einmal drei Prozent. Das liege daran, dass Lebensmittel nach dem Willen der Verbraucher billig sein müssten.

Die Begehrlichkeiten gegenüber der Landwirtschaft werden größer. Die Politik und die Gesellschaft thematisieren gerade in einem verdichteten Raum wie dem Münchner Umland, was die Bauern auf ihren Äckern und in ihren Wäldern machen. Erholungsinteressen stehen wirtschaftlichen Belangen entgegen. Die Auseinandersetzungen werden härter. Diesen Mittwoch verteidigte Stürzer, der auch für die CSU dem Kreistag angehört, im Kreis-Umweltausschuss den Einsatz des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat, sofern dieser von Fall zu Fall abgewogen werde. Am Ende stimmte er dennoch mit den übrigen Kreisräten für ein Glyphosat-Verbot auf Flächen des Landkreises München. Mit Überzeugung tat er es nicht, gerade mit Blick aufs Ausland.

Andererseits schätzt eine wachsende Schicht qualitätvolle Lebensmittel und ist bereit, dafür mehr zu bezahlen. "Wir sind auf gutem Weg in Richtung Ökolandbau", sagt etwa Katharina Binsteiner, Bereichsleiterin Landwirtschaft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ebersberg. Die Zahl der Biobauern steigt. 513 Landwirte gibt es dem Amt zufolge im Landkreis München. 45 davon sind Biobauern, wobei fünf Betriebe erst kürzlich dazukamen, darunter ein großer Betrieb mit Viehhaltung. Damit ist der Anteil des ökologischen Landbaus unter den Betrieben im Landkreis von 5,7 Prozent auf 8,7 Prozent gestiegen und liegt jetzt über dem Landesdurchschnitt.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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