Einkaufen in München:Was kleinen Läden zu schaffen macht

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Die Sendlinger Straße nach ihrem teilweisen Umbau zur Fußgängerzone. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wenn die Sendlinger Straße demnächst zur provisorischen Fußgängerzone wird, könnten kleine Händler die Verlierer sein. Das liegt nicht nur an den hohen Mieten.

Von Thomas Anlauf

Es ist ein Experiment mit offenem Ausgang. Wenn am 1. Juli die Sendlinger Straße komplett ein Jahr lang zur provisorischen Fußgängerzone umgewandelt wird, hat das nicht nur Auswirkungen auf den Straßenverkehr in der Münchner Altstadt. Kritiker befürchten, dass mit der neuen Bummelmeile zwischen Sendlinger Tor und Hackenstraße die Mietpreise für die Geschäfte massiv steigen werden. Bereits jetzt bekommen Ladenbetreiber regelmäßig Angebote von Maklern, viel Geld zu zahlen, wenn sie ihr Geschäft abgeben.

"Es ist nicht ausgeschlossen, dass dann die Mieten steigen", sagt Wolfgang Fischer, Geschäftsführer der Unternehmensinitiative City-Partner. Es gebe innerhalb des Altstadtrings generell einen hohen Nachfragedruck für Ladenflächen. "Europaweit jedes Unternehmen will hier her", sagt Fischer. Besonders internationale Ketten können es sich leisten, auch überteuerte Preise für attraktive Lagen in der Münchner Altstadt zu zahlen. Denn bei mehr Laufkundschaft steigt auch der Umsatz.

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Kleinere Läden, die nicht auf das schnelle Geld in einer Fußgängerzone setzen, könnten die Verlierer in der Sendlinger Straße sein. Die Stadt will deshalb während des Modellversuchs ganz genau hinschauen, ob und wo Vermieter versuchen, Ladenbesitzer hinauszudrängen oder die Mieten stark anzuheben. Bei einer Bestandsaufnahme im vergangenen Jahr hat das Planungsreferat allerdings festgestellt, dass in der Sendlinger Straße bereits zwei Drittel der Geschäfte von Filialisten betrieben werden.

Die Gründe, weshalb die einen Geschäfte schließen und sich neue ansiedeln, sind aber nicht nur die stark steigenden Ladenmieten. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern hat soeben erst untersucht, wie sich der sogenannte stationäre Einzelhandel in den vergangenen Jahren auch in München verändert hat.

Das Ergebnis: Der steigende Online-Handel macht vielen Geschäftsinhabern zu schaffen. Aber auch die Suche nach Nachfolgern wird gerade in Traditionsbetrieben immer mehr zum Problem. So schließt Ende des Monats das "Kokon" im Lenbachpalais, weil der Betreiber der kleinen Kette für Möbel und Wohnaccessoires aus Altersgründen aufhört und keinen Nachfolger in der Familie findet. Das Gleiche galt für die älteste Metzgerei Münchens, die an Ostern nach 135 Jahren dicht machte - weil kein Nachfolger gefunden wurde.

Auch in der Sendlinger Straße hören immer wieder alt eingesetzte Ladenbesitzer aus Altersgründen auf, etwa im vergangenen Jahr das kleine Miederwarengeschäft, von dem es nur noch das historische Werbeschild gibt, oder nun der "Wollkorb", dessen Motto in der Auslage stand: "Ich stricke, also bin ich."

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Trotz der zahlreichen Geschäftsaufgaben gibt es in München so gut wie keinen leer stehenden Laden. Die IHK hat festgestellt, dass in der Münchner Innenstadt im Bereich der Maxvorstadt, Isar- und Ludwigsvorstadt sowie der Altstadt aktuell 2095 Einzelhändler gemeldet sind, fünf Jahre zuvor waren es 2153. "In München gibt es in diesem Bereich eine hohe Dynamik", sagt eine IHK-Sprecherin. Und auch der Grad der Filialisierung der Geschäfte nehme deutlich zu.

Dennoch stehe München noch deutlich besser da als andere Großstädte - auch was den Umsatz angeht. Der liegt in der Landeshauptstadt nach Angaben der IHK um 25 Prozent über dem Durchschnitt der sieben größten Metropolen in Deutschland, gerechnet pro Quadratmeter Einzelhandelsfläche. Umgekehrt liege die zur Verfügung stehende Einzelhandelsfläche pro Einwohner niedriger als in anderen Großstädten. Der Markt sei also noch "nicht übersättigt", sagt die IHK-Sprecherin.

Das liegt vielleicht auch an einem anderen Phänomen. René Götz hat beobachtet, dass andere Städte wie Stuttgart, Köln oder Berlin lediglich ein oder zwei Trendviertel haben, in denen die Menschen auch einkaufen. In München dagegen sind eigentlich alle Viertel, die um die Altstadt herumliegen, längst auch als Shopping-Stadtteile entdeckt worden.

Götz, der seit Jahren regelmäßig nicht nur ganze Viertel in große Hofflohmärkte verwandelt, sondern auch Stadtteilmarketing macht und Händler berät, weiß, dass Münchner eben nicht nur in den Fußgängerzonen der Altstadt zum Einkaufsbummel unterwegs sind.

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Gerade in Vierteln wie Haidhausen, der Schwanthalerhöhe, der Isarvorstadt oder Neuhausen haben sich viele kleine inhabergeführte Geschäfte etabliert. Aber auch in Stadtrandlagen gebe es "sehr gesunde Stadtviertel", etwa in Solln. In anderen, wie der Messestadt Riem, habe es die Stadt hingegen versäumt, "dass sich kleine Ladenstrukturen entwickeln konnten", sagt Götz. "Auch im Arnulfpark hätte man sich das gewünscht." Stattdessen sind die Neubaugebiete vor allem Schlaf- und Arbeitsstätten.

Dabei hat es die Stadt durchaus in der Hand, bis zu einem gewissen Grad Einfluss zu nehmen, wie belebt ein Stadtviertel ist. In Neubaugebieten wie den drei Paulaner-Grundstücken in der Au wurde festgelegt, dass insbesondere in den Erdgeschossen der Gebäude Raum für Einzelhandel vorgesehen ist. An der Falkenstraße muss sogar ein Supermarkt gebaut werden, weil das Planungsreferat festgestellt hatte, dass es in der Gegend zu wenig Versorgungsmöglichkeiten gibt. "Es ist schon unser Bestreben, auf diese Weise Gebiete zu beleben", sagt Planungssprecher Thorsten Vogel.

Auch in der Altstadt mischt das Rathaus durchaus im Spiel der Kräfte um die begehrtesten Ladenflächen mit. Im Ruffiniblock am Rindermarkt vermietet die Stadt relativ günstige Läden vorzugsweise an Händler, die sonst kaum eine Chance in der begehrten Altstadtlage hätten. Auch im Rathaus selbst werden Läden vermietet, in die wohl auch gerne internationale Handelsketten einziehen würden. Doch trotz der fortgeschrittenen Filialisierung der Altstadt: Alles kriegen sie in München eben nicht.

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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