USA:Flaggensignal an Peking

Lesezeit: 2 min

US-Präsident Joe Biden sendet derzeit klare Signale Richtung Peking. (Foto: Leah Millis/Reuters)

Präsident Joe Biden wirbt unter den Pazifik-Anrainern um Verbündete. Denn Chinas Unterstützung für den russischen Überfall auf die Ukraine lässt Böses für Taiwan erahnen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Im Fernen Osten könnte Taiwan nach landläufiger Meinung die nächste Ukraine sein - mit einer übermächtigen Volksrepublik China, die dem kleinen Nachbarn vor der Küste keine Souveränität schenken, sondern die volle Kontrolle über die Insel erlangen möchte. Notfalls auch mit militärischer Gewalt. Es ist deshalb in diesen Tagen kein Wunder, dass jede politische Bewegung der Pazifik-Anrainer durch das Ukraine-Prisma betrachtet wird. Wenn also der US-Präsident die südostasiatischen Staatenlenker der Asean-Gruppe empfängt und anschließend nach Südkorea und Japan reist, dann ist das vor allem ein Flaggensignal an Peking.

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Die Allianzen-Schmiede am Pazifik glüht, in Washington wächst selbst auf republikanischer Seite der Appetit auf eine Neuauflage des Freihandelsabkommens TPP, das Donald Trump einst zerrissen hat. Sogar von einer pazifischen Nato ist die Rede. Den Nukleus dazu gibt es bereits im "Sicherheitsdialog" der vier Schwergewichte Australien, Indien, Japan und USA. Der U-Boot-Deal der USA mit Australien beginnt schon, seine politische Wirkung zu entfalten.

Peking ist überrascht von der Entschlossenheit des Westens

Diese Bündnis-Spielereien zeigen, dass jetzt bereits die wichtigste Lehre aus dem Ukraine-Krieg angewandt wird: Ein Aggressor kann leichter abgeschreckt werden, wenn der Preis hoch genug ist. Zusammen ist man stärker. Tatsache ist, dass die chinesische Führung vom Grad der Entschlossenheit der Ukraine-Freunde im Westen überrascht ist - und sich selbst abschrecken lässt. Offenbar hält Peking Waffen- oder Komponentenlieferungen an Russland zurück, weil es die Sanktionen aus Europa und den USA fürchtet.

Dennoch bleibt die chinesische Unterstützung Putins für den Westen eine einzige Enttäuschung. So entsteht aber wenigstens Klarheit. Der Treueschwur von Parteichef Xi Jinping zu Beginn der Winterspiele hat Bestand, obwohl dem eigentlich kühl kalkulierenden Xi kein Vorteil daraus erwächst. Die Asean-Staaten scharen sich auch deshalb um die USA, weil China immer unberechenbarer und geradezu gefährlich erscheint: Die anhaltende Schließung des Landes wegen Corona, die unmenschliche Lockdown-Politik, die blinde Russland-Unterstützung und die ideologische Verhärtung, die mit der Wiederwahl Xis im Oktober ihren Höhepunkt finden soll. Die Zeit der ökonomischen Einbindung der Nachbarn scheint zu Ende zu sein. Peking lässt sich von seiner eigenen Propaganda in Fesseln legen.

So viel ist klar: China begehrt die Vereinigung mit Taiwan

Die politische Offensive am Pazifik zeigt, dass Bidens Regierung bei aller Unterstützung für die Ukraine den eigentlichen Rivalen des 21. Jahrhunderts nicht aus den Augen verliert: die Volksrepublik. Dafür hält der Ukraine-Krieg ein paar wichtige Lehren parat, die spätestens bei einer Kriegskulisse um Taiwan relevant werden: Schätze dein Militär richtig ein, nukleare Säbelrasselei gehört jetzt zum Geschäft, bilde Allianzen (oder schwäche die Bündnisse deiner Gegner).

Es besteht kein Zweifel, dass Xi die Vereinigung Taiwans mit der Volksrepublik anstrebt. Mit der Erfahrung aus good old Europe im Rücken beginnt Joe Biden nun seine pazifische Gegenoffensive. Die USA wollen vorsorgen, dass eine militärische Eskalation erst gar nicht in Betracht kommt. Dazu müssen sie zwei Dinge vorweisen: Freunde und Entschlossenheit. Gut möglich, dass Xi Jinping, ähnlich wie sein Freund Wladimir Putin, nicht minder entschlossen ist und ideologisch den Rubikon längst überschritten hat.

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