Türkei:Unverfroren

Gewalt gegen Frauen, Hetze gegen Minderheiten - und die Regierung tut nichts, im Gegenteil: Sie schürt sogar Vorurteile. Das Motiv ist durchschaubar.

Von Tomas Avenarius

Am Umgang mit den Frauen und mit Minderheiten zeigt sich, wo eine Gesellschaft steht. Da schneidet die Türkei schlecht ab. Gewalt gegen Frauen, nicht nur in der Form archaischer "Ehrenmorde", ist noch immer endemisch. Und der Umgang mit der LGBT-Bewegung zeigt ebenso wie das Verhältnis zu religiösen oder ethnischen Minderheiten, dass die Türkei politisch, gelinde gesagt, Nachholbedarf hat.

Es ist eine Binse, dass solche Prozesse Zeit brauchen. In diesem Punkt unterscheidet sich die Türkei nicht von Deutschland oder Italien. Wo die Türkei sich unterscheidet, ist die Unverfrorenheit, mit der Vorurteile von der Regierung instrumentalisiert, ja ausgeschlachtet werden.

Die Istanbul-Konvention zum Schutz der Frauen vor männlicher Gewalt infrage stellen unter Verweis auf die angeblich gefährdete Familienstruktur? Das ist ebenso billig wie die Hetze gegen die LGBT-Minderheit, die angeblich das Wohl der Jugend gefährdet, in Wahrheit aber nur ein leichtes, weil wehrloses Ziel ist. Das Ganze mit der Religion und der Kultur zu begründen, macht es vollends durchschaubar: Hetze wird oft genug mit Wählerstimmen belohnt. Da wiederum unterscheidet sich die Türkei nicht von anderen Ländern, auch nicht von Deutschland.

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