Österreich:Wann man korrupt ist

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Da schaut er: Heinz-Christian Strache, ehemaliger Vizekanzler der Republik Österreich, im Gerichtssaal. (Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Heinz-Christian Strache wird auf Bewährung verurteilt. Eine Zeitenwende? Das weiß man, wenn die höheren Instanzen gesprochen haben.

Kommentar von Cathrin Kahlweit

Heinz-Christian Strache hat nicht mehr viele Freunde in der österreichischen Politik - und das Urteil vom Freitag, mit dem der ehemalige FPÖ-Politiker zu 15 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, dürfte seinen Status als Paria noch verstärken. Seine ehemalige Partei will nichts mehr mit ihm zu tun haben, die Wähler mögen ihn nicht mehr, ein Verfahren wegen Spesenbetrugs ist noch anhängig, und nun ist er auch noch wegen Bestechlichkeit verurteilt worden. Eine Richterin in Wien war sicher, dass Strache sich von einem reichen Freund, einem Klinikbetreiber, für dessen Sache einspannen ließ und - unter anderem gegen Spenden über 12 000 Euro - für ihn lobbyierte. Sie schenkte den Beteuerungen von Strache und seinem Freund keinen Glauben, ihnen sei es nur um Gerechtigkeit im Gesundheitswesen gegangen. Zu auffällig sei der zeitliche Zusammenhang zwischen Geldfluss und politischen Aktivitäten.

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Korruptionsbekämpfer in Österreich feiern das Urteil, vielleicht etwas voreilig, als mutig und wegweisend: Sie hoffen, es sei nur der Anfang des großen Aufräumens im Ibiza-Sumpf. Der trat 2019 mit dem Video zutage, auf dem Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte die halbe Republik versprach. Das Urteil ist vor allem erst einmal ein großer Erfolg für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die noch gegen weitere Mitglieder der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung ermittelt und von der ÖVP, der Kanzlerpartei, zuletzt massiv kritisiert worden war. Nicht umsonst sagt die Staatsanwaltschaft nun, dass dieses "Verfahren nur Teil eines größeren Komplexes ist"; das sei erst "der Anfang". Man kann das als Kampfansage gegen die ÖVP lesen, die der Justiz Hybris und Parteilichkeit vorwirft und sich immer betont gewiss gab, dass alle Verfahren im Sande verlaufen würden.

Die Richterin knüpfte eine Indizienkette

Bis zuletzt hatte es auch in diesem Fall geheißen, die Beweise würden nicht ausreichen, mit Parteispenden über 12 000 Euro könne man kein Gesetz kaufen, und Strache sei zu Beginn seiner Aktivitäten für den Freund noch Oppositionspolitiker und damit machtlos gewesen. Die Richterin aber folgte der Staatsanwaltschaft und setzte Maßstäbe, deretwegen nun auch zahlreiche ÖVP-Politiker schlechter schlafen dürften. Sie knüpfte eine Indizienkette und stellte fest: Um sich korrupt nennen zu lassen, reicht es, sich einen Vorteil versprechen zu lassen und dann das explizite Interesse des Gegenübers zu bedienen - selbst wenn man den versprochenen Vorteil nicht in Anspruch nimmt.

Ob ihr Urteil die Berufung überlebt, ob ihre Indizienkette vor höheren Instanzen hält, ist eine andere Frage. Auch daran wird sich erweisen, ob es eine Zeitenwende in Österreich gibt - einem Land, in dem politische Korruption immer noch als Freunderlwirtschaft verniedlicht wird. Und wo die ÖVP gerade mit Hilfe des grünen Regierungspartners einen Untersuchungsausschuss beendet hat, in dem zahlreiche Indizien für eben diese politische Korruption zutage gefördert wurden.

Das Urteil im ersten Ibiza-Prozess zeigt eine neue Sensibilität der Justiz im Umgang mit dem Amtsverständnis von Politikern, so wie die öffentliche Debatte zuletzt eine neue Sensibilität dafür befördert hat, dass Politik nicht zur Selbstbedienung da ist. Nun muss sich das nur noch bei denen herumsprechen, die es meint.

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