Koalitionsverhandlungen:Die gelb-grünen Vier

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Wenige Tage nach der Bundestagswahl trafen sich die Spitzen von FDP und Grünen erstmals zu informellen Gesprächen, was sie mit einem Selfie dokumentierten (von links): Volker Wissing (FDP), Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP), Robert Habeck(Grüne). (Foto: Volker Wissing/dpa)

Bisher stellen sich FDP und Grüne bei ihren Sondierungsgesprächen geschickt an. Aber nun schlägt für beide die erste Stunde der Wahrheit.

Kommentar von Daniel Broessler

Wenn die Unterhändler von Grünen und FDP an diesem Freitag zusammenkommen, schlägt in dieser frühen Findungsphase der neuen Bundesregierung die erste Stunde der Wahrheit. Das Selfie der grün-gelben Vier war in den sozialen Netzwerken so ungeheuer erfolgreich, weil es es gut gelaunt gezeigt hat, was möglich sein könnte - ein unkonventionelles, modernes Bündnis. Im größeren Format geht es nun darum, was tatsächlich möglich ist. Zum einen also darum, ob eine ökologisch-liberale Reformallianz Gestalt annehmen könnte. Zum anderen aber ganz praktisch darum, ob Grüne und FDP tatsächlich in der Lage sind, ihre neue Macht klug auszuspielen.

Das eine ist vom anderen nicht zu trennen, weshalb sich jetzt niemand täuschen lassen sollte vom Mantra, worauf es ankomme, seien nur die "Inhalte". Was am Anfang wichtig ist, sind eben nicht nur die Inhalte, sondern auch das Gefäß, in das sie gefüllt werden können. In seinem embryonalen Stadium lebt das grün-gelbe Bündnis vor allem vom Konsens, weder die Ampel mit der SPD noch Jamaika mit der Union auszuschließen. Dahinter steht das Eingeständnis der gegenseitigen Abhängigkeit. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, was das für den Aushandlungsprozess bedeutet. Schaffen Grün und Gelb hier kein Fundament, bleibt die Reformallianz ein Luftschloss.

Das erfordert zunächst ein gemeinsames Verständnis, in welchen Formaten Sondierungen überhaupt zum Erfolg, also zu echten Koalitionsverhandlungen führen können. Soll parallel ausgelotet werden, ob die Ampel oder Jamaika eine Chance hat - und wenn ja, in welchen Formaten und wie lange? Ob dieses in der Bundesrepublik noch nie erprobte Vorgehen funktionieren würde, ist ungewiss. Sicher ist nur, dass es den perfekten Rahmen böte für Intrigen und ein permanentes Gegeneinander-Ausspielen.

Wie geschäftsfähig ist die Union?

Jeder weiß, dass FDP und Grüne mit unterschiedlichen Präferenzen in die nun beginnende Findungsphase gehen. Die Liberalen haben den Traum von Jamaika, also einer CDU-geführten Regierung, nicht gänzlich aufgegeben, für die meisten Grünen führt kein Weg mehr an der Ampel mit der SPD vorbei. Das muss beide Seiten allerdings nicht daran hindern, zu einer gemeinsamen Einschätzung der derzeitigen Geschäftsfähigkeit der Union zu kommen. Dies schließt die Frage ein, ob eine Kanzlerschaft von Armin Laschet überhaupt noch als ernsthafte Option auf dem Tisch liegt. Vor allem aber müsste der Union abverlangt werden, dass sie sich erst einmal sortiert, bevor irgendjemand mit ihr sondiert.

Nachdem Liberale und Grüne getrennt mit SPD und Union gesprochen haben, werden sie nächste Woche auf all das eine Antwort finden müssen. Ein nachvollziehbares Verfahren wäre es, zunächst im Dreier-Format mit der Partei zu sprechen, die zwar nicht als wirklich starke, aber eben doch als stärkste Kraft aus der Bundestagswahl hervorgegangen ist, und die auch einen klaren Regierungsanspruch artikuliert. Sondierungen zunächst mit der SPD über eine Ampel müssen dabei nicht bedeuten, Jamaika ad acta zu legen. Im Gegenteil: Die FDP und auch die Grünen haben kein Interesse daran, dieses Druckmittel gegenüber einem mutmaßlich ausreichend selbstbewussten Olaf Scholz aus der Hand zu geben.

Am Ende wird es ohnehin wesentlich darauf ankommen, wie Scholz und seine SPD mit der neuen Macht der eben nicht mehr so Kleinen umgehen werden. Darin, dass die Sozialdemokraten daran scheitern, liegt die letzte einigermaßen begründete Hoffnung der Union.

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