Profil:Kerstin Rinke

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(Foto: Heiko Rebsch)

Die frühere Vize-Landeschefin der Frauen-Union in Sachsen-Anhalt ist aus Protest über den Umgang mit weiblichen Politikerinnen aus der CDU ausgetreten.

Von Ulrike Nimz

Kerstin Rinke geht es ums Prinzip, ums "Thomas-Prinzip", um genau zu sein. Es beschreibt die Beobachtung, dass Männer Nachfolger und Mitstreiter gern unter ihresgleichen rekrutieren, es in deutschen Börsenvorständen daher mehr Männer namens Thomas als Frauen gibt. Das Prinzip ließe sich problemlos von der Wirtschaft auf die Politik übertragen, glaubt Rinke. Sie hat sich das lange genug angeschaut, in der CDU.

Kerstin Rinke, 60, war bis vor Kurzem stellvertretende Landesvorsitzende der Frauen-Union in Sachsen-Anhalt. Bis sie aus der Partei austrat und diesen Schritt in einem zweiseitigen Schreiben begründete: "Ich musste erleben, dass sämtliche Bemühungen, engagierte und kompetente Frauen stärker in verantwortliche Positionen zu bekommen, die nicht nur im Ehrenamt ausgeführt werden, gescheitert sind." Die Liste zur Landtagswahl am 6. Juni nennt Rinke die "frauenfeindlichste Liste, die die CDU Sachsen-Anhalt jemals aufgestellt hat".

Unter den ersten Zehn findet sich nur eine Frau und natürlich ein Thomas - Ulrich Thomas, Fraktionsvize auf Listenplatz vier. Mehrfach hat er eine Zusammenarbeit von Christdemokraten und AfD ins Spiel gebracht. Gemeinsam mit Lars-Jörn Zimmer (Listenplatz 3) regte er an, das "Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen". Dieses Austesten von Grenzen, diese kontinuierliche Verschiebung nach rechts, könne sie nicht länger mittragen, sagt Rinke. "Zwei dermaßen umstrittene Politiker auf den vorderen Listenplätzen - das ist ein Statement." Ihr Austritt ist auch eines.

Kerstin Rinke ist im Erzgebirge aufgewachsen, hat Nordeuropawissenschaften in Greifswald studiert. Sie lebt in Edderitz, einem kleinen Ort südlich von Köthen, managt die Zahnarztpraxis ihres Mannes, lektoriert medizinische Dissertationen. Sie kennt sich mit Sprache aus. Der Erfolg der AfD, er misst sich ihrer Meinung nach auch an Vokabeln der Verrohung. "Wenn Worte wie 'Gutmensch' ganz selbstverständlich benutzt werden, auch innerhalb der CDU, dann tut mir das weh."

Rinke ist über Umwege zur Politik gekommen, war in Bürgerinitiativen aktiv, hat gegen eine Biogasanlage in der Nachbarschaft gekämpft. 2014 trat sie in die CDU ein, nennt sich "von Haus aus konservativ". Einer ihrer drei Söhne engagiert sich in der Flüchtlingshilfe. "Das ist die humanistische Grundeinstellung, die ich immer in der CDU verortet habe."

So viel Aufmerksamkeit wie für ihren Austritt habe sie in politischen Ämtern nie bekommen, sagt Rinke, und Aufmerksamkeit hätte sie wohl verdient. In sieben Jahren hat Kerstin Rinke Kommunalpolitik auf allen Ebenen mitgestaltet. Seit 2017 ist sie Stadtratsvorsitzende in der Stadt Südliches Anhalt und sitzt im Kreistag von Anhalt-Bitterfeld. Ihre Kandidatur bewarb sie mit einem Foto-Faltblatt: "30 Gründe, warum der ländliche Raum lebenswert ist": der Mäuseturm, das Freibad in Glauzig. Die Kirche in Zehbitz, wo sie einen Stern an der Schiffdecke gestiftet hat. Den Grundsatz, erst das Land, dann die Partei - Kerstin Rinke hat ihn gelebt.

2017 wurde sie Beisitzerin im Vorstand der Frauen-Union. Wichtige Themen seien angepackt worden: ein Lehrstuhl für Gendermedizin, Unterstützung für Alleinerziehende. Stets sei der Beifall aus anderen Parteien lauter gewesen als der in den eigenen Reihen, sagt Rinke. Eine alternative Landeswahlliste mit mehr weiblichem Personal auf aussichtsreichen Plätzen konnte die Frauen-Union bei der Parteiführung nicht durchsetzen. "Dabei sind es nicht nur Frauen, die uns fehlen, sondern auch junge Leute, die es schwer haben, sich gegen die Silberrücken zu behaupten."

Als größten Erfolg nennt sie die Kreistagswahl, bei der sie die AfD hinter sich lassen konnte, die eigens eine Wahlkampfveranstaltung in ihrem Heimatort organisiert hatte. Hinter sich gelassen hat sie nun auch die CDU. Der Frauen-Union will Kerstin Rinke gleichwohl verbunden bleiben. Es ist das Prinzip Hoffnung.

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