Kamila Walijewa:Dünnes Eis

Im Fall Walijewa hat die ganze Welt dabei zugesehen, wie ein Kind nicht geschützt wurde: Die 15-Jährige mit ihrer Trainerin (Foto: imago images/ITAR-TASS)

Der Umgang mit der jungen russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa zeigt, wie nahe Faszination und Ausbeutung im Spitzensport beieinanderliegen. Aber nicht nur dort.

Kommentar von Meredith Haaf

Man hätte schon aus arktisch kaltem Eis geschnitzt sein müssen, um in den vergangenen Tagen nicht jedes Mal dahinzuschmelzen, wenn Kamila Walijewa in ihren Schlittschuhen über den Bildschirm flitzte. Die 15-Jährige ist eine Ausnahmesportlerin. Und einem derart fähigen und charismatischen Menschen dabei zusehen zu können, wie er fliegt und sich dreht, ist ein Geschenk, das ähnlich berührt wie der Kontakt mit einem Naturwunder.

Kamila Walijewa ist auch ein zierlicher Teenager, bis vor Kurzem zählte sie altersmäßig noch definitiv in die Kategorie Kind. Kein Wunder, dass Menschen nicht nur in Russland, sondern weltweit völlig fasziniert waren von dem Können der Athletin, aber auch von den Doping-Vorwürfen gegen sie und ihr Team und dem reichlich heuchlerischen Umgang der zuständigen Behörden damit.

Genau hier liegt eine besondere Problematik im Umgang mit der Athletin, und die betrifft nicht nur ihren russischen Sportverband oder ihre möglicherweise nicht besonders herzliche Trainerin. Denn im Fall Walijewa hat die ganze Welt dabei zugesehen, wie ein Kind nicht geschützt wurde. Nicht vor Doping, nicht vor extremem Druck, nicht vor dem öffentlichen Blick. Das ist bei besonders jungen Talenten immer wieder ein Dilemma: Die Aufmerksamkeit, die zum Profisport gehört, ist auch geeignet, ihnen massiv zu schaden. Wie bei spektakulären Landschaften und wundersamen Tieren zeigt sich auch im Fall Walijewa: Die Grenze des Menschen zwischen Faszination und Ausbeutung ist viel zu oft kaum zu erkennen.

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