Oleg Tinkow:Der Kreml zwingt ihn zum Verkauf seiner Bank

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Oleg Tinkow, 54, hier bei einem Symposium vor fünf Jahren in Sotschi. (Foto: Artur Lebedev/imago/ITAR-TASS)

Der russische Milliardär Oleg Tinkow schreibt auf Instagram von einem "verrückten Krieg", den Preis dafür muss er unverzüglich zahlen.

Von Silke Bigalke

Es waren ein paar Zeilen auf Instagram, Oleg Tinkow kosteten sie ein Vermögen. Er sehe "keinen einzigen Nutznießer dieses verrückten Krieges", so begann der russische Geschäftsmann Mitte April seinen Text. "Unschuldige Menschen und Soldaten sterben." Am nächsten Tag kontaktierte die russische Präsidialadministration seine Bank, die Tinkoff-Bank. Sie solle alle Verbindungen zu ihrem Gründer abbrechen, so erzählte es Oleg Tinkow, 54, nun der New York Times, andernfalls werde die Bank "nationalisiert".

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Ende April hatte Tinkow seinen Anteil, 35 Prozent am Mutterkonzern der Bank, bereits verkauft. Er spricht von einem "verzweifelten Verkauf, einem Notverkauf". Er habe dafür nur "Kopeken" bekommen, sagt er, den Betrag nennt er nicht. Die Bank selbst widerspricht: Es habe keine Drohungen gegeben, sagte sie der Zeitung. In ihrer Pressemitteilung zum Verkauf druckte sie auch ein Zitat des Gründers. Er wolle mehr Zeit für seine Gesundheit und seine Familie haben, sagt Tinkow darin. Bei ihm war 2019 Leukämie diagnostiziert worden.

Tinkow wurde durch die Tinkoff-Bank zum Milliardär, nicht durch den Staat

Sein Anteil an der Bank gehört nun Wladimir Potanin, einem anderen russischen Milliardär. Potanin ist Großaktionär und Präsident des Minenunternehmens Norilsk Nickel, er soll noch reicher sein als Tinkow - und aus Sicht des Kremls zudem verlässlicher. Oleg Tinkow legt schließlich Wert darauf, keiner von Putins Oligarchen zu sein, niemand, der durch lukrative Posten an der Spitze staatlicher Konzerne reich geworden wäre.

Tinkow wurde in Sibirien als Sohn eines Minenarbeiters geboren. Zum Studium zog er nach Leningrad, ins heutige Sankt Petersburg, an die Bergbau-Universität. Doch anstatt in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, verdiente er sein Geld bald mit importierter Elektronik, später mit tiefgefrorenen Teigtaschen, seiner eigenen Brauerei, einer Restaurant-Kette, sponsorte Radsportteams unter dem Namen Tinkoff. 2006 gründete er die Online-Bank Tinkoff, die ihr Geschäft mit Kreditkarten bestreitet. Durch Tinkoff wurde Oleg Tinkow zum Milliardär, Bloomberg schätzte sein Gesamtvermögen im November auf mehr als acht Milliarden US-Dollar. Heute dürfte es deutlich weniger sein.

"In jedem Land gibt es zehn Prozent Idioten"

Auch wenn er sich selbst nicht als Oligarchen betrachtet - Tinkow führt den typischen Lebensstil eines russischen Superreichen. Seine Kinder hat er an ausländische Eliteschulen geschickt, er besitzt Häuser in Europa und Nordamerika. Seine Yacht La Datcha ist 77 Meter lang und kann durch Eis fahren. In einem Interview mit der Financial Times ließ er 2015 durchblicken, dass er Wladimir Putin persönlich kenne, und wie sehr er Trump und Berlusconi bewundere.

2020 klagte ihn das US-Justizministerium wegen Steuerhinterziehung an, Tinkow wurde in London verhaftet. Kurz darauf trat er als Vorstandsvorsitzender der Tinkoff-Bank zurück und machte seine Leukämie-Erkrankung öffentlich. Einer Auslieferung an die USA entging er schließlich, indem er mehr als eine halbe Milliarde Dollar Strafe zahlte. In Großbritannien steht er seit März wegen Putins Feldzug auf der Sanktionsliste.

Tinkow hat die politischen Verhältnisse in Russland immer wieder, aber nie allzu laut kritisiert. 90 Prozent der Russen seien "gegen diesen Krieg", schrieb er im April auf Instagram. "Aber in jedem Land gibt es zehn Prozent Idioten." Am Ende seiner Nachricht richtete er sich an den Westen: "Bitte geben Sie Herrn Putin einen klaren Ausweg, damit er sein Gesicht wahren kann und dieses Massaker gestoppt wird."

Die Bank reagierte sofort: Oleg Tinkow sei kein Mitarbeiter mehr und auch schon lange nicht mehr in Russland gewesen, teilte sie im Messengerdienst Telegram mit. Sie wolle sich auch umbenennen, was lange geplant gewesen und nun noch dringlicher geworden sei. Im Internet kursieren derweil Fotos und Videos von Russen, die Tinkoff-Kreditkarten zu kleinen Z-Buchstaben zerschneiden; zum Zeichen der Unterstützung fürs russische Militär.

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