Anna Netrebko:Das genügt

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Die russisch-österreichische Sängerin geht auf Distanz zu Putin. Mehr kann man nicht verlangen.

Von Egbert Tholl

Anna Netrebko hat sich geäußert. Über ihren Anwalt ließ sie ein Statement verbreiten, das an Deutlichkeit wenig Wünsche offen lässt. Sie verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich, sie sei weder Mitglied einer politischen Partei noch mit irgendeinem Spitzenpolitiker Russlands verbunden. Sie bedauere, dass ihre Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten. Schon in den vergangenen Wochen hatte Netrebko in den sozialen Medien den Krieg verurteilt, benutzte einmal die Vokabel "Angriffskrieg". Dafür käme sie in Russland womöglich ins Gefängnis. Reicht das?

Für potenzielle Arbeitgeber wie die New Yorker Met offenbar nicht; deren Direktor Peter Gelb will die Zusammenarbeit mit ihr vorerst nicht wieder aufnehmen, er warte darauf, dass sie sich "komplett und langfristig" von Putin distanziere. Aus US-amerikanischer Sicht mag diese harte Haltung verständlich sein, europäische Institutionen indes hüllen sich derzeit eher in Schweigen. Ja, vor Jahren ließ sich Anna Netrebko ein paar Mal von der russischen Politik instrumentalisieren, das ist nun mal Fakt. Und man mag es für naiv oder treuherzig halten, wenn sie nun verlautbaren lässt, sie habe Putin nur eine Handvoll Mal getroffen. Aber übertriebene Nähe spricht daraus nicht.

Kann man von einer Künstlerin, die in Wien lebt und die neben der österreichischen auch die russische Staatsbürgerschaft besitzt, mehr verlangen? Deutschland bezieht nach wie vor Erdgas aus Russland, finanziert damit Putins Krieg mit. Aber eine Künstlerin soll sich aus dem Fenster lehnen, bis sie abstürzt? Der Gedanke ist nicht weit hergeholt, dass Netrebko vielleicht einfach Angst hat. Um Freunde und Verwandte, die in Russland leben oder gar davor, ein Schicksal zu erleiden wie Alexej Nawalny, den Putins Schergen vergifteten. Sie hat sich von Putin distanziert. Es reicht.

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