Profil:Steven Zhang

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Steven Zhang, Präsident von Inter Mailand, bei einem seiner seltenen Auftritte - hier mit der Coppa Italia. (Foto: Matteo Gribaudi/IMAGO)

Spross einer chinesischen Investoren-Familie, Präsident des italienischen Traditionsklubs Inter Mailand - und ein Auslaufmodell.

Von Thomas Hürner

Es hat Vorteile, dass Oliver Kahn erst zwei Jahre Vorstandschef des FC Bayern ist. So ist er noch frisch genug in dem Job, damit die Auswärtsreisen mit dem Verein eine spannende Angelegenheit bleiben. Man lernt ja interessante Leute auf den Ehrentribünen in Europas Fußballstadien kennen.

Kahn weiß natürlich, wem er an diesem Mittwoch im Mailänder San-Siro-Stadion begegnen wird, aber das schließt nicht aus, dass sich diese Begegnung vor dem Münchner Champions-League-Start gegen Inter Mailand ungewohnt anfühlen könnte. Denn: Inter-Präsident Steven Zhang ist gerade mal 30 Jahre alt und wurde geboren in Nanjing, China. Mit Fußball hatte er sein Leben lang nichts zu tun. Und so einer steht in Verantwortung bei einem der bedeutendsten Klubs Italiens, in einer Fußballnation also, in der Abwehrspieler unter 35 Jahren als naive Frischlinge abgekanzelt werden?

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Aus dem Familienbetrieb Inter wurde ein Spekulationsobjekt

Zhang ist eine der skurrilsten Erscheinungen, die der globale Fußballkapitalismus bislang hervorgebracht hat. Dazu muss man wissen, dass die Ehrentribünen in Italiens Stadien früher von Herren aus dem italienischen Establishment bevölkert wurden, die ihren Reichtum in der Schwerindustrie angehäuft hatten oder Silvio Berlusconi hießen. So war das auch bei Inter - bis der langjährige Klubpatron und Ölmulti Massimo Moratti den Verein 2013 zum Verkauf anbot. Aus einem Familienbetrieb wurde ein Spekulationsobjekt.

Dennoch war der Enthusiasmus groß, als der Klub 2016 im Portfolio der Suning Holdings Group landete, einem milliardenschweren Einzelhandelskonzern im Eigentum der Familie Zhang. Geld schießt nun mal Tore, da sind die Tifosi opportunistisch. Auch Moratti hatte ja immer Geld zugeschossen, warum sollte da chinesisches Geld verwerflich sein? Zhang Jindong, der Chef von Suning und einer der reichsten Menschen Chinas, hat selbst allerdings kaum Zeit, sich um den Klub, in seinen Augen eine Werbeplattform, zu kümmern. Deshalb wurde sein Sohn Steven Zhang als eine Art Mailänder Statthalter abgestellt.

Über den jungen Präsidenten ist wenig bekannt

Aus der Öffentlichkeit hält dieser sich fern, Steven zeigt sich nur bei den Spielen Inters, auch über seine Vergangenheit ist wenig bekannt. Nur so viel: Studiert hat er in den USA, Wirtschaftswissenschaften, danach war er als Investmentbanker bei der New Yorker Großbank Morgan Stanley tätig. Die Kapitalismus-Lehre fand dann auch Anwendung bei Inter, indem Zhang neue Sponsorendeals an Land zog, das Klublogo erneuern ließ und in neue Stars fürs Profiteam investierte. Privat fährt der Präsident einen schwarz-blauen Sportwagen der Marke Pagani, in den Vereinsfarben Inters, auf Instagram-Bildern küsst er den Meisterpokal, den die Mailänder 2021 gewannen. Das machte Zhang, den das US-Magazin Fortune zu den "40 einflussreichsten Chinesen unter 40" zählt, zum ersten ausländischen Klubchef, der einen italienischen Klub zu Titeln geführt hat. Gekostet hat das circa 750 Millionen Euro.

"Wir wollen die Inter-Fans auf dem ganzen Globus verbinden", hatte Zhang beim Amtsantritt verkündet. Was nur die halbe Wahrheit ist, da Investments in den Fußball ganz oben angeordnet worden waren, vom Staatschef Xi Jinping. China sollte eine Weltmacht in diesem Sport werden, doch das Kapital wird längst abgezogen: zu kostspielig, dazu die Pandemie und die Krise des chinesischen Immobilienmarkts. Suning schreibt aktuell horrende Verluste, der Hausklub in der chinesischen Liga, der Jiangsu FC, wurde bereits dichtgemacht. Mitten in der Krise verschwand Zhang in Mailand einfach von der Bildfläche, angeblich haben ihn die Mitarbeiter aus Italien nicht mal am Telefon erreicht. Nun soll Inter an den erstbesten Investor verkauft werden. Und Präsident Zhang ist wohl so schnell weg, wie er ins Amt gekommen ist.

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