Frankreich:Macron ist gleichzeitig erfolgreich und gehasst

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Der Präsident war angetreten, um die Regierung näher an die Bevölkerung zu rücken. Doch vor der nächsten Wahl zeigt sich: Das Gegenteil ist der Fall. Warum bloß?

Von Nadia Pantel

Frankreichs Rennen auf das höchste Amt im Staat beginnt mit einem Stau. Ob bei den Grünen, bei den Konservativen oder bei den Sozialisten: Überall dort, wo noch so etwas wie eine Partei übrig ist, drängeln sich die Kandidaten und Kandidatinnen. Anders ist es nur dort, wo man ohnehin eher von Fanklubs sprechen muss, denn von Parteien. Ganz rechts ist Marine Le Pen gesetzt, ganz links Jean-Luc Mélenchon.

Während die Herausforderer noch in der Findungsphase sind, steht ihr Gegner bereits fest: Emmanuel Macron. Auch wenn Frankreichs Präsident noch nicht offiziell verkündet hat, ob er wieder antritt oder nicht, gab es in seiner Amtszeit eigentlich keinen Moment, in dem er nicht wirkte, wie einer, der für die Langstrecke plant. Nach guten vier Jahren im Amt wirken diese Ambitionen realistisch. Macron hat sehr gute Chancen, wiedergewählt zu werden.

Das liegt nur zum Teil an der Schwäche der Opposition, die sich, ob links oder rechts, nur selten darauf einigen kann, was oder wen sie will. Es liegt auch schlicht an der Stärke Macrons. Gerade in der Pandemiepolitik hat Macron, im krassen Gegensatz zur deutschen Politik, keine Angst davor, Verantwortung für umstrittene Entscheidungen zu übernehmen. Er ließ die Schulen offen trotz hoher Inzidenzzahlen. Er erhöhte in diesem Sommer den Druck auf Nicht-Geimpfte so massiv, dass es aktuell wirkt, als könne durch die hohe Impfquote die vierte Infektionswelle gebrochen werden. Der Preis für diese extrem vertikale Politikführung ist hoch. Macron hat in Fragen der Demokratiepflege genau das Gegenteil von dem umgesetzt, was er versprochen hat. Er hat das Parlament nicht reformiert, sondern zur Seite geschoben. Er hat Politik nicht transparenter gemacht, sondern auf seine Person konzentriert.

Der Protest kommt nicht aus der Opposition, sondern von der Straße

Macron wollte von Anfang an für eine Politik stehen, die Widersprüche vereint. Er meinte damit das Versöhnen linker und rechter Ideen. In der Praxis ist daraus eine konservative Präsidentschaft geworden. Macron ist nicht gleichzeitig links und rechts. Doch er ist gleichzeitig erfolgreich und verhasst. Es ist erstaunlich, wie wenig es den Oppositionsparteien gelingt, Macrons Schwächen für sich zu nutzen.

Sowohl bei der Gelbwestenbewegung als auch nun bei den Protesten der Gegner einer Impf-Nachweispflicht: Gegenwind kommt für Macron von der Straße, nicht von seinen Konkurrenten. Das bedeutet zum einen: Selbst wenn Macron wiedergewählt wird, sind die turbulenten Zeiten nicht vorbei. Und zum anderen zeigt sich darin, wie bedrohlich groß die Zahl derjenigen in Frankreich inzwischen ist, die sich von Politikern ohnehin nichts mehr versprechen.

Das aktuell übergroße Kandidatenfeld steht im Kontrast zu den vergangenen zwei Wahlen im Land, zur Kommunal- und zur Regionalwahl. In beiden Fällen ging die Mehrheit der Bevölkerung gar nicht erst zur Urne. Und das lag nicht nur an der Pandemie. Als Macron 2017 gewählt wurde, zeichnete sich seine Kampagne durch etwas aus, das Frankreich lange nicht gesehen hatte: Optimismus. Diese Haltung ist wieder völlig aus der Mode gekommen. Und sie fehlt dem Land und dem Wahlkampf. Frankreich muss nicht nur einen Präsidenten bestimmen, es muss dringend den Graben zwischen der Machtspitze und der Bevölkerung verkleinern. Unter Macron ist er gewachsen.

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