Linke:Die Chefin kapituliert vor der Partei

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Susanne Hennig-Wellsow gab ihren Rücktritt schriftlich bekannt. Sie wünscht sich nun "neue Gesichter". (Foto: Metodi Popow/Imago)

Seit Jahren leistet sich die Linke einen von peinlichen Schlagzeilen und gegenseitiger Verachtung geprägten Richtungsstreit. So erklärt sich der Rücktritt von Susanne Hennig-Wellsow.

Kommentar von Jens Schneider

Für einen Moment könnte man meinen, dies sei ein Rücktritt aus privaten Gründen. In ihrer Erklärung nennt die bisherige Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow als ersten von drei Gründen ihre Lebenssituation. Ihr achtjähriger Sohn habe ein Recht auf Zeit mit ihr, schreibt sie. So richtig, wie das auch sein mag: Es geht bei diesem Rücktritt um viel mehr. Er ist eine Kapitulation vor der Partei, in einer existenziellen Krise der Partei. Als Hennig-Wellsow vor 14 Monaten gemeinsam mit Janine Wissler die Führung übernahm, versprachen beide einen Neuanfang. Sie meinten das ernst, mussten aber lernen, dass der Linken dazu der Wille fehlt. In dieser Partei geht stattdessen die meiste Kraft für den internen Machterhalt und die Beschäftigung mit sich selbst drauf, die am Ende oft in Selbstbeschädigung mündet.

Ein beklemmendes Beispiel ist derzeit der Umgang mit dem Sexismus in der Partei, Hennig-Wellsow nennt ihn als einen weiteren Rücktrittsgrund. Das wirkt verheerend vor dem Hintergrund der strukturellen Probleme, die von der Partei oft diagnostiziert und dann doch ignoriert wurden. Seit Jahren leistet sich die Linke ihren von peinlichen Schlagzeilen und gegenseitiger Verachtung geprägten Richtungsstreit. Die Lager lähmen sich gegenseitig. Das stößt auch viele ab, die sich eine linke Kraft in Deutschland wünschen. Die zerstrittenen Lager scherte das wenig, solange noch für jeden ein Sitz in einem Parlament herauskam. Inzwischen geben die Wahlergebnisse das kaum mehr her.

Der einzige Ausweg wäre, dass die Partei endlich ihre Konflikte entscheidet und wieder eine klare Linie findet - auch wenn das mit Verlusten und Abschieden verbunden wäre. Aber die Angst vor einer solchen Erneuerung ist zu groß. Das musste die als sehr entschlossen bekannte Politikerin Susanne Hennig-Wellsow erkennen. Ihr Scheitern offenbart, wie schwer der Überlebenskampf der Linken wird.

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