Netzpolitik:Sag, wer du bist

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Kommt die Klarnamenpflicht für Facebook? Es wäre eine Illusion zu glauben, dass Hass und Hetze im Internet dann aufhören würden.

Von Wolfgang Janisch

Der Streit um die Anonymität im Internet ist ungefähr so alt wie das Netz selbst. Für die Aktivisten der ersten Stunde war sie stets ein Synonym für Freiheit. Aber in dem Verfahren, das der Bundesgerichtshof gerade über die sogenannte Klarnamenpflicht auf Facebook führt, deutet sich an, dass sich die Paradigmen gerade verschieben. Seit Hass und Hetze zur Seuche der digitalen Welt geworden sind, denken Politiker und eben auch Gerichte verstärkt darüber nach, ob es nicht eine gute Idee wäre, den Nutzern im Netz das offene Visier zu verordnen.

So nachvollziehbar die Sorge über die Gefahren von sich exponentiell verbreitenden Hassposts ist: Schlüge das Pendel nun zurück zu einer umfassenden Pflicht, nur noch mit bürgerlichem Namen im Netz agieren zu dürfen, dann wäre dies eine empfindliche Beschränkung der Freiheit. Es geht dabei nicht nur um den Schutz von Regimekritikern aus der autokratisch regierten Welt, die von Deutschland aus agieren und ein sehr handfestes Interesse daran haben, von den Objekten ihrer Kritik nicht identifiziert zu werden. Und es geht nicht nur um die Datensammelei, die durch Namenspflichten erleichtert wird. Auch Angehörige von Minderheiten benötigen den Schutz der Anonymität, weil im Netz gerade gegen sie mitunter unbarmherzige Aufwallungen entstehen. Dass solche Shitstorms mit einer Klarnamenpflicht aufhören würden, wird ein Wunschtraum bleiben, schon deshalb, weil nicht alles, was bösartig daherkommt, auch rechtswidrig ist.

Die neue Ampelkoalition hat daher gut daran getan, im Koalitionsvertrag das Versprechen abzugeben, anonyme und pseudonyme Online-Nutzung zu wahren. Das muss keine Absage an eine wirksame und entschiedene Hassbekämpfung sein. Denn es gibt intelligentere Instrumente. Im Sommer diskutierte die Innenministerkonferenz beispielsweise über Login-Fallen, mit denen man notorischen Netzhetzern auf die Spur kommt. Eine Klarnamenpflicht braucht es dafür nicht.

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