Gewaltproteste in Brüssel:Triumph der Hetzer

Lesezeit: 1 min

Belgiens Polizei gelingt es nicht, das EU-Viertel zu schützen.

Kommentar von Josef Kelnberger

Es waren wuchtige Bilder, die am Sonntag zur besten Sendezeit den Weg in die deutschen Fernsehnachrichten fanden: Zehntausende Menschen mit Flaggen aus ganz Europa ziehen durch Brüssel und nehmen frech für sich in Anspruch, die freiheitliche Demokratie gegen die Corona-Politik zu verteidigen, während die Institutionen der Europäischen Union sanft ruhen. Dass am Ende gewaltbereite Demonstranten Polizeibeamte verletzten, Feuer legten, Scheiben an einem EU-Gebäude zerschmetterten - all das passt wohl zur Choreografie dieser Veranstaltung: Europa in Aufruhr, soll die Botschaft lauten. Das ist natürlich ein Ausdruck grenzenloser Hybris, und dennoch geben die Bilder Anlass zu Sorge.

Im Herzen der EU zeigten sich exemplarisch die Folgen eines mittlerweile zweijährigen Stresstests, dem die westlichen Gesellschaften in der Pandemie ausgesetzt sind. Menschen, die wegen der Corona-Auflagen um ihre Existenz fürchten, geraten in den Sog von europaweit bekannten Hetzern; aus ganz Europa kamen krude Verschwörungserzähler nach Brüssel, sie wurden stürmisch gefeiert. Extremisten nutzten den Aufmarsch schließlich zu Aufruhr und Gewalt. Mobilisiert wurde diese explosive Schar über den Messengerdienst Telegram. In dessen Blase gedeiht das Gefühl, man sei in der Mehrheit, und man sei im Recht.

In Deutschland wird nun debattiert, ob der Staat Telegram abschalten sollte. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass sich die Szene trockenlegen lässt, indem man ihr einen Kommunikationskanal wegnimmt. Sie dürfte sehr schnell einen anderen finden. Was die spezielle Situation im Herzen der EU betrifft, so richtet sich der Blick nun auf die belgischen Sicherheitsbehörden. Zum wiederholten Mal ist die Polizei vom Corona-Protest überrollt worden. Es wäre schon ein Anfang gemacht, wenn sie es schaffen würde, zumindest das symbolträchtige Europaviertel ausreichend zu schützen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: