100 Tage Brexit:Beruhigen

Den Ausstieg aus der EU hat Boris Johnson geschafft, nun wird es ernst. Die Ereignisse in Nordirland zeigen es.

Von Alexander Mühlauer

Wie jeder halbwegs erfolgreiche britische Politiker beherrscht auch Boris Johnson die Kunst des Understatements. So kanzelt er die Klagen der Wirtschaft über die Brexit-Bürokratie gerne als "teething problems" ab, als Beschwerden also, die Babys haben, wenn sie ihre ersten Zähne bekommen. Dass die Brexit-Folgen in Wahrheit weitaus schmerzhafter sind als von Johnson behauptet, lässt der Premier an sich abprallen. Diese Taktik mag so lange funktionieren, bis es nicht mehr möglich ist, die Kosten des EU-Austritts unter denen der Corona-Krise zu verstecken. 100 Tage nach Ende der Brexit-Übergangsphase hat Johnson ohnehin andere Sorgen.

Neben den schottischen Unabhängigkeitsbestrebungen sind da vor allem die Ausschreitungen in Nordirland. Die Krawalle zeigen, wie fragil der dortige Frieden noch immer ist. Deren direkter Auslöser mögen innenpolitische Fehden sein. Aber fest steht, dass auch der Brexit-Deal für die Spannungen verantwortlich ist. Anders als von Johnson im Unterhaus-Wahlkampf 2019 behauptet, gibt es seit Jahresbeginn Kontrollen für den Güterverkehr zwischen Großbritannien und Nordirland. Der Premier hat de facto eine Grenze in der Irischen See errichtet - und das Vereinigte Königreich gespalten.

Johnson muss nun dafür sorgen, die Lage in Nordirland zu beruhigen. Es geht dabei um nicht weniger als das Karfreitagsabkommen, das genau vor 23 Jahren, am 10. April 1998, unterzeichnet wurde. Brexiteer Johnson hatte stets versprochen, diese Friedensgarantie zu wahren. Das muss er jetzt beweisen.

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