Afghanistan:Leben retten

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Der Westen hatte den Menschen am Hindukusch versprochen, sie nicht im Stich zu lassen, und dann genau das getan. Nun sollte er angesichts der katastrophalen Zustände wenigstens humanitäre Hilfe leisten.

Von Tobias Matern

Schaufensterpuppen. Als hätte Afghanistan keine anderen Probleme. Als müssten die Menschen nicht frieren, hungern, um ihre Gesundheit bangen. Aber die Taliban drangsalieren lieber Inhaber von Modegeschäften, die den Plastik-Models die Köpfe absägen sollen. Angeblich ist das Antlitz der Puppen unislamisch. Allein vier Millionen Kindern droht in diesem Jahr die Unterernährung, warnen die UN. Und rufen die Weltgemeinschaft auf, Milliardensummen an Nothilfe bereitzustellen. Die muss nun schnell fließen.

Die Taliban haben zwar dafür gesorgt, dass 20 Jahre westlicher Afghanistan-Einsatz als Desaster in die Geschichte militärischer Interventionen eingehen. Aber als Herren des Staates Afghanistan fehlt es ihnen nun an den beiden zentralen Komponenten für gute Regierungsführung: Kompetenz und Geld. Sie haben keine politischen Konzepte, sie antichambrieren nicht bei potenziellen Geldgebern, sie sind noch nicht einmal in der Lage, in Peking eine funktionierende Botschaft zu betreiben.

Da der Westen bis zum Kollaps der gewählten Regierung in Kabul Jahr für Jahr mehrere Milliarden Dollar in den afghanischen Haushalt gepumpt, aber keine nachhaltigen wirtschaftlichen Strukturen hinterlassen hat, steht das Land jetzt vor dem Kollaps, seit die ausländischen Hilfen auf Eis liegen. Für die USA und ihre Verbündeten, die den Menschen in Afghanistan einst versprochen hatten, sie nicht im Stich zu lassen und dann genau das getan haben, geht es nun darum, Nothilfe zu leisten, ohne das Regime in Kabul zu päppeln.

Das ist kein einfaches Unterfangen. Schon die demokratisch gewählten, vom Westen unterstützten Regierungen waren nicht in der Lage oder bereit, gegen Vetternwirtschaft und Korruption vorzugehen. Wenn unter der koordinierenden Führung der UN die Hilfsorganisationen Kinder retten und hygienische Mindeststandards aufrechterhalten können, mag dies zwar den Druck von den regierenden Taliban nehmen, selbst zu liefern. Aber es rettet in der jetzigen, katastrophalen Lage vor allem Leben.

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