"Der Überfall" im ZDF:Dominomenschen

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Damon (Yasin Boynuince) ringt mit seinem Gewissen. Doch er kann Schwägerin Miriam (Karolina Lodyga) die Wahrheit noch nicht verraten. (Foto: Hardy Brackmann/ZDF)

In der Mini-Krimiserie "Der Überfall" löst ein Kioskraub eine fatale Kettenreaktion aus. Manche Wendung ist skurril, aber die Spannung hält.

Von Lena Reuters

Überfälle sind nie eine gute Idee. Aber gerade am Montagmorgen einen Kiosk ausrauben zu wollen, scheint eine besonders schlechte zu sein. Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mal viel zu holen. Die tiefe Verzweiflung durch ihre immensen Schulden treibt Paula Schönberg (Katja Riemann) und ihren Komplizen Daniel Kowalski (Joel Basman) mit Waffe in der Hand und Schal vor dem Gesicht in den Kiezladen von Hassan Merizadi (Hadi Khanjanpour). Die Situation gerät außer Kontrolle. Zu sehen und hören sind zunächst nur Bruchstücke dieser fatalen Begegnung: Kowalski schießt. Merizadi stirbt. Ein Kunde wird schwer verletzt. Kripobeamtin Antonia Gebert (Lorna Ishema) joggt am Tatort vorbei und nimmt die Ermittlungen auf.

Die ZDF-Serie Der Überfall, nach dem Drehbuch von Stefan Kolditz und Katja Wenzel, erzählt, wie sich in einem katastrophalen Augenblick Lebenswege kreuzen und ineinander verschlungen bleiben. Die Handlung erinnert durch das auslösende Moment, das einer Kollision der Geschichten gleichkommt, an den Oscargewinner "L.A. Crash" oder die dänische Serie "Wenn die Stille einkehrt". Anders als in diesen Produktionen geht es dabei weniger um den Blick auf die Gesellschaft, sondern um das Menschsein selbst.

In kurzer Zeit wird eine ganze Reihe an Personen eingeführt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Doch sie eint die Last, die auf ihren Schultern liegt. Der Bogen wird von jugendlichem Leichtsinn über Affären und Burn-out bis hin zu Spielsucht und Existenzsorgen gespannt. Alle sind überfordert und strampeln - schützen sich selbst oder die, die sie lieben. Von Montagmorgen bis Samstagabend - sechs Tage übertragen auf sechs Folgen - wird das Netz an Handlungssträngen zusammengetragen.

Offene Enden, die teilweise absurd zusammengefügt werden

Das Tempo ist von der ersten Folge an hoch und Regisseur Stephan Lacant gelingt es, über den Serienverlauf die Spannung zu steigern. Die Kamera, die zu Beginn über den Dächern das Straßentreiben einfängt, klebt zum Ende hin an den Gesichtern der Protagonisten. Erinnerungsfetzen holen die Figuren ein, sie atmen tief und schnell, verstecken sich und suchen hektisch Beweismittel, sie verfolgen Widersacher zu Fuß, auf dem Fahrrad und mit dem Auto, sprechen flehende Bitten oder folgenschwere Drohungen aus. Zu den schnellen Bildwechseln dröhnt der Sound.

Personalchefin Paula Schönberg (Katja Riemann, l.) wird von ihrer Assistentin Maria Belz (Ricarda Seifried, r.) über die prüfende Innenrevision informiert. (Foto: Hardy Brackmann/ZDF)

Gerahmt werden die Folgen durch verzerrte Porträtaufnahmen des Ensembles, getränkt in grelles Orange und Lila. Aus dem Off heißt es dann: "Die Wahrheit war ein Spiegel in den Händen Gottes. Er fiel herunter und zerbrach." Jeder Mensch würde einen Splitter in seiner Hand halten und meinen, die ganze Wahrheit darin erkennen zu können. Die wiederkehrende Metapher des Spiegels und Fragen nach Zufall, Schicksal, Wahrheit werden dann zur Schwäche der Serie, wenn sich die Handlung überschlägt und ein Oha-Moment dem nächsten folgt. Durch die große Personenanzahl entstehen offene Enden, die teilweise absurd zusammengefügt werden. Motive und Wendungen sind dann nicht mehr nachvollziehbar. Schade, dabei sprechen die vielschichtigen Figuren bereits für sich.

Der Überfall, in der ZDF-Mediathek

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