WDR-Intendantin vor Wiederwahl:Hauptsache Ruhe

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Harald Schmidt wechselte zu Sat.1, Thomas Gottschalk floppte im Vorabend, ihr Engagement im Kampf um die Tagesschau-App lässt für einige ARD-Intendanten zu wünschen übrig. Dennoch soll Monika Piel als WDR-Intendantin wiedergewählt werden.

Hans Hoff

Es gibt eigentlich keinen Zweifel an der Wiederwahl Monika Piels zur WDR-Intendantin, die am Mittwoch dieser Woche auf der Agenda des WDR-Rundfunkrates steht. Nicht einmal ein Gegenkandidat wurde aufgestellt. Nicht einmal der Form halber.

Die Stars der ARD mögen sie: WDR-Intendantin Monika Piel mit Moderator Günther Jauch (l.) und Entertainer Thomas Gottschalk. (Foto: dpa)

Dass sich der Rundfunkrat damit auch in den Verdacht bringt, nicht mehr als ein Abnickverein für Sender- und Intendantenwünsche zu sein, wird offenbar hingenommen. Hauptsache Ruhe in der Anstalt. Es sei halt alles ganz gut gelaufen in den vergangenen fünf Jahren, heißt es ganz allgemein.

Eigentlich bräuchte der WDR wie alle anderen Anstalten ein Intendantencasting. Alternativen profilieren jede Entscheidung. Doch das ist nicht üblich. Ein Vorfall wie beim früheren Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender, den der Verwaltungsrat des Senders ablehnte, ist eine - allerdings unrühmliche - Ausnahme. Amtsinhaber haben es im öffentlich-rechtlichen System in Wahlen eher leicht. Vielleicht braucht der WDR-Rundfunkrat auch keine neue Intendantin, weil Monika Piel, anders als frühere Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender, viel Rücksicht nimmt auf ihre Gremien.

Aber ist alles tatsächlich so gut gelaufen für die derzeit mächtigste Frau der ARD, denn sie ist ja auch noch bis Dezember die Vorsitzende der gebührenfinanzierten Arbeitsgemeinschaft?

Die Liste der Dinge, die Monika Piel nicht hinbekommen hat, ist nicht ganz so kurz. War sie es nicht, die verkündete, sie hätte gerne Hape Kerkeling im Ersten, als der längst tief in Verhandlungen mit dem Zweiten steckte? Stand sie nicht in der Verantwortung, als Harald Schmidt mit dem Sidekick Oliver Pocher seine ARD-Show entwertete und man ihn zunehmend lieblos behandelte, sodass Schmidt es vorzog, die Rückkehr zu Sat 1 anzutreten - was ja dann ein dürftiger Notausstieg war, wie inzwischen bekannt ist?

Auf jeden Fall war Monika Piel die treibende Kraft hinter dem Engagement von Thomas Gottschalk. Der 62-Jährige sollte den Vorabend revolutionieren, was er auch schaffte. Derzeit fährt er nach der zweiten Konzeptveränderung binnen vier Monaten k urz vor Einstellung seiner Show Gottschalk live so niedrige Quoten ein, dass auch der größte Skeptiker sich nicht vorzustellen vermochte, wie sehr das Experiment mit Gottschalk den Vorabend verändern würde.

Im Streit mit den Verlegern um die Tagesschau-App und das Internet-Engagement von ARD und ZDF gaben vielleicht sogar andere als sie frühzeitig Terrain auf, das mühsam zurückerobert werden musste. Derzeit planen die Verleger, den Gerichtsprozess gegen die ARD Mitte Juli fortzusetzen. Dabei schien der Kompromiss einer ohnehin rechtsunverbindlichen Vereinbarung schon vor Monaten längst gefunden zu sein. Es gibt Intendanten im Ersten, denen das Thema irgendwie wichtiger erschien als Piel, und die monieren die Länge des Prozesses, wünschen mehr zupackendes Engagement von der ARD-Vorsitzenden.

Bei der grundsätzlichen Frage, ob die ARD einen Jugendsender - vergleichbar dem Modell ZDF Neo - brauche oder nicht, entzweite sich Piel mit SWR-Intendant Peter Boudgoust so sehr, dass nun sowohl Eins Festival als auch Eins Plus ein bisschen auf jung getrimmt werden. Piel ist gegen einen Jugendsender, Boudgoust kämpfte dafür.

SWR-Chef Boudgoust war vor Piel ARD-Vorsitzender, er hat in seinen beiden Amtsjahren die Tagesthemen wochentags auf eine zeitliche Linie gebracht und organisierte den Wandel zur geräteunabhängigen Rundfunkgebühr, der Haushaltsabgabe. Nachhaltiges wird Piel kaum überlassen, wenn sie den ARD-Vorsitz im Januar 2013 an den ARD-Intendanten Lutz Marmor vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) weiterreicht.

Bestenfalls ungeschickt taktierte sie im Konflikt um Reformen bei der Kulturradiowelle WDR 3. Den Protestbrief, den mehr als 18.000 Hörer unterschrieben, beantwortete sie nicht selbst und ließ ihren Hörfunkdirektor schwadronieren.

Auch in etlichen Arbeitsprozessen erlitt der WDR schmerzliche Niederlagen. Das ist Sache der Justiziare, aber es fällt in Piels Amtszeit. Am Fall des vom Sender ferngehaltene Redakteurs, der wieder beschäftigt werden musste (was Hunderttausende Euro kostete), war Piel nah dran. Der WDR klammerte sich zu lange an eine offensichtlich aussichtslose Berufung. Nicht nur wegen solcher Vorgänge darf die Stimmung im einst innovativen und selbstbewussten Kölner Sender als eher mäßig bezeichnet werden.

Da fügt sich ins Bild, dass Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff das WDR-Fernsehen mit pseudoregionalen Ratingshows und weichgespülten Magazinen auf erfolgreiche Belanglosigkeit trimmt - was in scharfem Kontrast zu Piels Beteuerungen steht, man sehe sich in erster Linie der Qualität verpflichtet - also nicht zuerst der Quote.

Eines der wichtigsten WDR-Themen Piels ist bisher das Sparen gewesen. Gebetsmühlenartig wiederholt sie, welche Summen dem Sender bald nicht mehr zur Verfügung stünden. Als ARD-Vorsitzende ist sie vor allem aufgefallen durch regelmäßige Dementi. Immer wieder war da etwas, das die Chefin richtigzustellen hatte. Zeit für offensive Bestrebungen blieb nicht, und so hört man aus den Reihen ihrer Mitintendanten ein sehr beredtes Schweigen, wenn es um sie geht.

Alles gut gelaufen also? Sicher nicht, aber nun kommen ja offenbar noch ein paar Jahre, kommt also genug Zeit, um den Beweis des Gegenteils zu liefern.

© SZ vom 29.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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